Balatoner Immobilienmarkt: Die Deutschen gehen, die Engländer kommen
Es scheint sich etwas zu bewegen auf dem seit Jahren stagnierenden Balatoner Immobilienmarkt. Die Deutschen ziehen jetzt nicht mehr nur ab und seit dem Start der Sármelléker Fluglinien zeigen auch Engländer Interesse an dem Gebiet.
Seit Jahren charakterisieren Überangebot und schwache Nachfrage den Immobilienmarkt am Balaton, im Vergleich dazu ist es schon überraschend, dass in den letzten Monaten verschiedene Immobilienmakler eine gewisse Belebung bemerken, doch vorerst nur in der Zahl der Interessenten.
Das nach der Wende stark ansteigende Interesse vor allem deutscher Staatsbürger war lange Zeit für den Immobilienmarkt am Balaton bestimmend, doch die Generation, für die Ungarn noch zu sozialistischen Zeiten als „fröhlichste Baracke” das Urlaubsparadies und der Treffpunkt der Deutschen aus Ost und West war, altert und stirbt langsam aus, ihre Kinder haben diese Bindung an Ungarn nicht mehr. Zuletzt kauften Ausländer in den Jahren vor dem Unionsbeitritt Ende der neunziger Jahre Immobilien in dem Feriengebiet. Die damaligen Käufer rechneten mit einem sprunghaften Preisanstieg nach dem Beitritt, sie wurden enttäuscht, als der nicht eintrat. Vor allem auch deshalb, weil diejenigen, die ihre Grundstücke verkaufen wollten, das Datum ebenfalls abwarteten und danach ihre Immobilien auf dem Markt anboten, was ein ausgesprochenes Preisdumping verursachte. Das drückte die sprunghaft angestiegenen Immobilienpreise, manche sind der Meinung, es rückte sie wieder zurecht, das Interesse der Ausländer an Balatoner Immobilien ging in den folgenden Jahren nicht nur zurück, viele wollten ihre Grundstücke auch wieder loswerden, so dass das Überangebot bis auf den heutigen Tag besteht.
Diese Tendenz erklärten manche mit der Rezession in Deutschland, manche mit den Verteuerungen nach der Einführung des Euro, andere wieder mit dem tendenziellen Rückgang des Fremdenverkehrs am Balaton. Letzteres betraf nur die Deutschen und die Österreicher, die mit Vorliebe früher beim Balatoner Zimmervermieter „Cimmerferi” genächtigt hatten.
Gegenüber den Anfangsvermutungen ist Jürgen Schenk, der geschäftsführende Direktor der Stiftung Deutschsprachiger Immobilienbesitzer in Ungarn, der Auffassung, dass die Hauptgründe, warum die Deutschen abziehen, die sich verschlechternde Gesundheit und die rasche Erhöhung der Verbraucherpreise in Ungarn sind, was auch die Berichte der Immobilienmakler untermauern. Früher gab es sehr viele Rentner unter den deutschen Immobilienkäufern, die auch deshalb herzogen, weil sie von ihrer deutschen Rente hier königlich leben konnten. Das ist jetzt vorbei, die ungarischen Lebensmittel- und Energiepreise erreichten und überschritten manchmal schon das westliche Preisniveau. Der Gesundheitszustand der Deutschen wird deshalb oft zu einem Scheideweg, weil sie mit dem Alter immer häufiger medizinische Versorgung brauchen und es ist im teuren Ungarn problematisch, sie zu bekommen – meint Jürgen Schenk, nach dessen Auffassung die ungarischen Ärzte zwar gut sind, die technischen und personellen Bedingungen der Krankenhäuser bleiben jedoch weit hinter denen in Deutschland oder in Österreich zurück. Die fehlenden Sprachkenntnisse erschweren die Kommunikation und nicht jeder mag es, wenn beim Gespräch mit dem Arzt ein Dolmetscher zugegen ist. Als Beispiel für diese Schwierigkeiten berichtet er von dem Fall eines Mannes aus Balatonboglár, der nach einem Herzinfarkt dringend ein tragbares EKG-Gerät brauchte. Das hätte das Kaposvárer Krankenhaus nach einer Wartezeit von fünf Wochen beschaffen können, in Deutschland hätte er das Gerät in zwei Tagen gehabt.
Der Leiter der am Nordufer tätigen Badacsonyer midiTOURIST Kft. Csaba Sall sagt, dass es unter den Ausländern auch Holländer und Österreicher gibt, die in den letzten ein, zwei Jahren ihre Immobilien wieder los werden möchten, doch in der Mehrheit sind das Deutsche. Die Weggehenden beklagen sich nach den Erfahrungen seines Büros nicht über den Balaton oder die öffentliche Sicherheit, sondern über die Preise. Die Mehrheit zog vor 10-15 Jahren nach Ungarn oder verbringt jedes Jahr einige Monate hier, deshalb ist es ihnen nicht egal, wie hoch die Lebenshaltungskosten in Ungarn sind. Oft sind sie dazu gezwungen, ihr einstmals billig gekauftes, doch seither für Millionen Forint instandgesetztes Haus am Balaton wegen Existenzproblemen unter Wert zu verkaufen. Gegenwärtig vermittelt das Büro ein Haus in Zamárdi im Wert von 26-28 Millionen Forint, das aus ähnlichen Gründen dieser Tage auch für 17 Millionen Forint nicht verkauft werden konnte. In Badacsonylábdihegy verkauften vor einiger Zeit Deutsche ihr vor drei Jahren gebautes schönes Haus mit Swimmingpool, weil ihr Unternehmen in Deutschland in Schwierigkeiten geraten war. In Badacsonytomaj begann eine ältere Dame ihr Haus anzubieten, in dem sie lange Jahre gelebt hatte, weil ihr Partner verstorben war und ihre Kinder nicht gern herkommen. Die Immobilienkäufer sind bei midiTOURIST fast nur Ungarn, deren Interesse im Vergleich zu den letzten Jahren in den vergangenen Wochen ausgesprochen stieg, derzeit wird weniger zu Urlaubszwecken als vielmehr als Geldanlage gekauft, dazu treibt der schwächelnde Forint – meint Csaba Sall.
Für die Gegend von Siófok ist die ungarische Nachfrage noch bestimmender. Viele möchten aus der Hauptstadt aufs Land ziehen und ein billiges Haus am See oder im Hinterland kaufen. Ihr Grundbedürfnis ist, dass die ausersehene Immobilie als Wohnimmobilie eingetragen ist, denn dann können sie Abgaben beim Verkauf ihrer früheren Immobilie sparen bzw. diese mit günstigen Krediten bezahlen. (Auf diese Erscheinung brachten sie die wie Pilze aus dem Boden schießenden Apartmenthäuser, deren Appartements natürlich als Wohnimmobilien angeboten werden.) Für den Markt ist seit Jahren charakteristisch, dass die modernen und neuen Häuser die besten Preise erzielen, die mit den Preisen an der kroatischen und spanischen Küste konkurrieren. Am gefragtesten sind die Immobilien, deren Preis unter 15 Millionen Forint liegt, unabhängig davon, in welcher Gegend am Ufer sie liegen. Wer sich ein Haus mit Aussicht wünscht, der schaut sich nach einer Immobilie am Nordufer um und wer für seine Kleinkinder eine ideale flache Küste sucht, der bevorzugt das Südufer. Weiterhin gibt es einen riesigen Unterschied in den Immobilienpreisen zwischen dem Seeufer und den Gemeinden im Hinterland. Der Preis eines unbebauten Grundstücks am Seeufer kann bis zu viermal so hoch sein als der Preis eines gleich großen Grundstücks, das sich ein paar Kilometer vom Balaton entfernt befindet.
Mehrere Büros berichteten von dem neu zu nennenden, günstigen Trend, dass unter den Interessenten und Käufern immer mehr Deutsche und Engländer sind. Nach Aussage des Leiters der Keszthelyer Lassie-Immobilienagentur Péter Huszár beabsichtigen die ihre spanischen Häuser verkaufenden Deutschen neuerdings in Ungarn ein Haus zu erwerben und in die Umgebung des Balaton überzusiedeln. Die spanische Küste ist überfüllt und für sie zu teuer geworden, darüber hinaus können sie für die billig erworbenen Grundstücke jetzt den doppelten bis dreifachen Preis auf dem Markt erzielen – analysierte der Experte die Lage. Für die englischen Interessenten sind die 10 bis 20 Kilometer vom Balaton gelegenen, billigen Immobilien zu einem Preis unter 50.000 Euro attraktiv. Zu bemerken ist auch eine Art Abwarten in den Käuferkreisen, dass nach der Einführung des Euro die Immobilienpreise sich in Ungarn nach oben bewegen, deshalb kauft ein Teil von ihnen mit ausgesprochener Investitionsabsicht.
István Bors, der Leiter der Fonyóder Balaton-Plattensee Kft., vermittelte Immobilien ebenfalls in letzter Zeit für mehrere aus Spanien kommende Deutsche. Die Agentur rechnet auch mit dem Ansteigen des englischen Interesses, diese Erwartungen gründen sich auf die Direktflüge vom Sármelléker Flugplatz nach England und auf den im Aufschwung befindlichen Dental-Tourismus. Vorerst ist bei den 80 % der Kundschaft ausmachenden ungarischen Interessenten auch ein steigendes Interesse zu verzeichnen, was Bors István mit dem Bau der M7 erklärt, denn die Region ist damit schneller und einfacher zu erreichen. Am gefragtesten sind die Immobilien, die zwischen 10-20 Millionen Forint kosten, gleichzeitig gibt es das größte Angebot an Familienhäusern, die einstmals für die Zimmervermietung gebaut wurden und zwischen 20-30 Millionen Forint kosten.
Das Vorhandensein des englischen Interesses lässt sich auch an dem Bericht der Direktorin Elaine Miller der in mehreren Kontinenten anwesenden Nottinghamer Immobilienagentur Teamaboard ablesen, den sie dem Wirtschaftsmagazin HVG gab. Wie sie ausführte, beginnt der Balaton in England jetzt bekannt zu werden, nachdem die Ryanair die Flüge nach Sármellék startete. Mit der neuen Flugverbindung ist man praktisch in zwei Stunden am Balaton, was auch als Wochenendziel in Betracht kommt. Für die Engländer bedeutet es eine Art Sicherheit, dass Ungarn Mitgliedsland der EU ist. Vielleicht noch attraktiver ist die Berechnung, dass sich mit der Einführung des Euro oder vielleicht schon vorher die derzeit niedrigen Immobilienpreise erhöhen werden. Elaine Miller, die im vergangenen Jahr schon an 20 Immobilienkäufen am Balaton und der Gegend von Hévíz mitwirkte, ist der Auffassung, dass die Kauflust der Engländer noch steigen wird, da die Ungarn sehr gastfreundlich sind und der Balaton eine ausgesprochen schöne und anziehende Gegend ist. Gegenwärtig besteht Nachfrage vor allem nach Grundstücken und billigeren Häusern, die investitionswilligen Briten interessieren sich vor allem für Immobilien, die zu einem Preis zwischen 20.000 und 100.000 Euro angeboten werden. Nach dem Bericht von Christian Török, dem Immobilienmakler der Canella CE Kft., die sich auf die Immobilienkäufer von der Insel konzentriert, erkundigen sich die Engländer vor allem nach Baugrundstücken, die sie als Investitionsobjekte kaufen. Sie rechnen damit, dass die Immobilienpreise pro Jahr um 10 bis 20 Prozent steigen und dass die Grundstücke auf jeden Fall mit Gewinn verkauft werden können. Die Mehrheit der Interessenten kennt Budapest schon gut und beginnt jetzt die Umgebung des Balaton zu entdecken, die durch die Direktflüge und die Autobahn M7 für sie leicht erreichbar wurde. Für die Briten ist es typisch, dass sie zuerst im Internet nach einer ihnen zusagenden Immobilie suchen und wenn sie sich dafür entscheiden, sofort in bar bezahlen, so dass sie auf diese Weise ein sehr populärer Geschäftspartner bei den Verkäufern sind.
Tünde Török