„Die Gegend ist um einen Farbfleck reicher“
Nur wenigen ist bekannt, dass seit anderthalb Jahrzehnten ein Buddhisten-Zentrum in Balatonkeresztúr existiert. In der letzen Zeit suchten mehrere hochrangige buddhistische Führer den Ort auf, was die Ortansässigen, die den Buddhisten gegenüber ein nachsichtiges Lächeln und zurückhaltende Toleranz an den Tag legen, nicht besonders aufregte, wenn sie überhaupt Notiz von ihnen nahmen. Das Interesse an dieser Religion war eher bei dem Keszthelyer Vortrag eines der angesehensten Meister des Buddhismus, dem Tibeter Kyabdje Dagom Rinpochének, zu spüren, wo der volle Saal die Menge der Zuhörer nicht mehr aufnehmen konnte.
Wie kamen die Buddhisten nach Balatonkeresztúr? Ein einstiger Tibeter Meister, Gesche Rabten, gründete vor einigen Jahrzehnten mehrere buddhistische Klöster in Europa. Das Zentrum – dem auch eine Hochschule angeschlossen ist – liegt am Genfer See in der Schweiz. Die Mönche des Klosters kamen nach Ungarn, um dabei mitzuhelfen, die buddhistische Stupa von Zalaszántó zu erbauen. Die Gegend gefiel ihnen sehr gut, andererseits fühlten sie sich zu Ehren von Csoma Sándor Korösi, dem Begründer der Tibetologie und erstem Verfasser eines tibetisch-englischen Wörterbuchs Ungarn seit langem verbunden. Deshalb kaufte das Schweizer Kloster nicht weit von der Stupa entfernt auf dem Weinberg von Balatonkeresztúr ein Grundstück und schuf ein Meditations-Zentrum.
Die Erbauer – die von den vier buddhistischen Richtungen Anhänger der gelben Schule, der Gelugpa sind – errichteten in der Nähe des Weinbergs nach ungarischen Bauvorschriften zehn kleinere Gebäude. Eines davon dient als Kirche. In diesen Häusern meditieren die von Zeit zu Zeit aus der Schweiz oder aus anderen Ländern kommenden Buddhisten und ruhen aus, doch auch jedem anderen wird hier für geringes Entgelt unter bescheidenen Bedingungen Unterkunft gewährt.
„Jede Woche kommen mehrere interessierte Besucher in das Zentrum von Balatonkeresztúr, doch ein religiöses Leben, eine buddhistische Gemeinschaft entstand noch nicht“, erzählt Christian Orelli, der aus der Schweiz gekommene Mönch, der das Zentrum seit ein paar Monaten leitet und betreut. Er liest zweimal täglich – meistens nur für sich selbst – die Messe und hält monatlich einmal eine Einführung in die buddhistische Meditation, wenn Bedarf danach besteht. Die ungarischen Anhänger dieser Religion kommen höchstens zu der einen oder anderen Veranstaltung hierher, ansonsten dient der Mönch den vorbeikommenden Neugierigen oder den sich für den Buddhismus interessierenden Schulklassen mit Hilfe eines Dolmetschers als Fremdenführer. Der Mönch, der das vierzigste Lebensjahr schon überschritten hat, ist in den früheren Abschnitten seines Lebens viel gereist, hat vieles ausprobiert und verdiente sein Brot unter anderem als Taxifahrer, bis er auf die Lehre vom Buddhismus traf und sich mit ihr identifizierte. Er sagt, dass er in Ungarn mit den Menschen noch keine schlechten Erfahrungen machte, die Einheimischen sind freundlich und hilfsbereit. Er ist gern in Ungarn und bleibt solange, wie sein Meister es für richtig hält.
Ein Zweck des kürzlichen Besuchs der religiösen Führer war, im Interesse der Belebung des religiösen Lebens verschiedene Zeremonien zu segnen und das ungarische Zentrum zu weihen, damit in der Gegend viel positive Energie frei werden kann. Die die Rituale ausführenden meditierenden Mönche kamen aus mehreren Ländern. Darunter war auch die 18-jährige Tibeter Reinkarnation des Begründers des Schweizer Klosters, des 1986 verstorbenen Gesche Rabten. Über ihn war soviel zu erfahren, dass die Mönche des Klosters den nur wenige Jahre alten Jungen in Indien in einer tibetischen Gemeinschaft gefunden hatten, von dem sie feststellten, dass es sich bei ihm um die Wiedergeburt des einstigen Meisters handelte. Heute lebt dieser junge Mann das normale Leben junger Leute in der Schweiz, er vertiefte sich nicht gerade in die buddhistische Philosophie und liebt, sein purpurnes Mönchsgewand tragend, Computerspiele und das Skifahren.
Im Buddhismus ist es verboten zu missionieren, das heißt die Religion zu verbreiten. Nach Aussage der Religionsführer steigt die Zahl der Anhänger des Buddhismus in Europa auch ohne Missionstätigkeit. Davon gibt es in Ungarn, vor allem in der Umgebung von Balatonkeresztúr, noch kein Anzeichen. Der Bürgermeister der Gemeinde János Bárdos nennt die am Weinberg niedergelassenen Buddhisten eine stille Gemeinschaft, von der man viel Gutes lernen könnte, doch nach seiner Meinung nach ist der heutige Ungar Lichtjahre von dieser Philosophie der Erhebung entfernt. Er erzählt, dass auch er eingeladen gewesen sei und an einigen Veranstaltungen teilgenommen habe, doch er hörte den tief schürfenden Gedanken vergeblich zu, er dachte immer nur an die alltäglichen Probleme. Die Verbindung des Dorfes mit dem Tibeter Kultur-Zentrum ist von Gleichgültigkeit geprägt. Einnahmen aus dem Fremdenverkehr bringt das kaum, in Verbindung damit kam es zu keinerlei religiösem Tourismus, doch die Gegend ist um einen Farbfleck reicher – sagte der Bürgermeister dazu.
Quelle: SzabadFöld