Steigende Corona-Zahlen und Mahnung – Geisterspiele drohen

Die Anzahl der Corona-Fälle steigt bundesweit – und damit die Wahrscheinlichkeit von Geisterspielen. Tausende Zuschauer in den Stadien dürften zur Seltenheit werden. Das betrifft auch Joachim Löw.

Der befremdliche Eindruck von Kiew hinterließ Joachim Löw im Zwiespalt. Der Bundestrainer freute sich «auf der einen Seite» über die Tausenden Fans beim Gastspiel der Nationalmannschaft am Samstag in der von der Corona-Pandemie stark betroffenen Ukraine.

«Auf der anderen Seite, klar, weiß man auch, dass es manchmal nicht ganz so ungefährlich ist», sagte Löw in der ARD. Deshalb ist eine ähnliche Kulisse am Dienstag in Köln gegen die Schweiz ausgeschlossen – wie an allen Bundesliga-Standorten. Es droht ein grauer Herbst mit etlichen Geisterspielen.

«Wir sind absolut von politischen Entscheidungen abhängig, wie das ganze Land. Und wenn die politischen Entscheidungen so getroffen werden, dann ist man schon ein Stück ohnmächtig», sagte Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge der «Bild am Sonntag» und mahnte eindringlich: «Wenn wir nicht bald wieder Fans in den Stadien haben, dann befürchte ich, wird der Fußball großen Schaden erleiden.» Er mache sich «größte Sorgen um die Fußball-Kultur».

Die landesweit steigenden Corona-Zahlen sprechen deutlich gegen mehr als wenige Hundert Zuschauer in den Arenen. Der kritische und auch für die Deutsche Fußball Liga wichtige Wert von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner pro Woche wurde in den vergangenen Tagen in etlichen Städten überschritten. Am Wochenende wurde aus Köln und Stuttgart ein Inzidenz-Wert von über 50 gemeldet. Auch Berlin, Frankfurt und Bremen liegen über dieser Schwelle. In Dortmund, wo Anfang des Monats mit 11.500 Fans im BVB-Stadion der bisherige Saisonrekord aufgestellt wurde, lag der Wert am Sonntag bei 36,2.

«Es wird langsam gefährlich», sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». Corona sei genauso gefährlich wie im Frühjahr. Im März und April hatten DFL und Clubs um die Ausrichtung wenigstens von Geisterspielen gerungen, um die Saison abschließen zu können. Die teilweise Wiederzulassung von Zuschauern zum Start der neuen Spielzeit im September sorgte für Aufbruchstimmung – aber auch für viele offene Fragen.

Bundesweit ist in einer Testphase bis Ende Oktober grundsätzlich eine Auslastung von maximal 20 Prozent der jeweiligen Stadien-Kapazität erlaubt. Die endgültige Entscheidung treffen aber die lokalen Behörden. Die Stadt München teilte zuletzt mit, dass wegen der Corona-Lage die Spiele in der bayerischen Landeshauptstadt mindestens bis zum 25. Oktober ohne Fans stattfinden. «Ich werfe niemandem etwas vor, aber ich habe das Gefühl, dass der rote Faden zwischen Fußball und Politik etwas verloren gegangen ist», sagte Rummenigge.

Für die Länderspiele in Köln am vergangenen Mittwoch gegen die Türkei (3:3) und am kommenden Dienstag gegen die Schweiz waren ursprünglich jeweils 9200 Besucher vorgesehen. Der Deutsche Fußball-Bund wollte Freikarten verteilen. Wegen der steigenden Corona-Zahlen wurden gegen die Türkei dann aber doch nur 300 Fans zugelassen, die wenig gegen die Geisterspielatmosphäre tun konnten. Am Sonntag stieg die Kölner 7-Tage-Inzidenz auf 59,7, seit Samstag gelten unter anderem ein nächtliches Alkoholverbot im öffentlichen Raum sowie eine Maskenpflicht in Fußgängerzonen. Die offizielle Entscheidung für das Schweiz-Spiel soll am Montag folgen.

In Berlin wurde das Testspiel des 1. FC Union gegen Zweitligist Hannover 96 zur Provinzposse, weil die 1795 Berliner Anhänger Fan-Gesänge anstimmten. Das ist laut Infektionsschutzverordnung der Hauptstadt «zu unterlassen». Einsicht? «Wir haben ja niemanden aufgefordert, hier zu singen», argumentierte Unions Kommunikationschef Christian Arbeit. Die Eisernen waren in der Zuschauerdiskussion allerdings schon mehrfach ausgeschert.

In Kiew, vom Robert Koch-Institut als Risikogebiet eingestuft, sahen 17.573 Zuschauer den 2:1-Sieg der DFB-Auswahl. Ordner sorgten für den vorgeschriebenen Mindestabstand, den Eindrücken nach trugen so gut wie alle Zuschauer einen Mund-Nasen-Schutz. «Und im Umfeld des Stadions wurden entsprechende Maßnahmen getroffen», sagte Löw. «Von daher habe ich mich nicht besonders in Gefahr gefühlt.»

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