Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat nach Erhebungen und Prognosen von US-Medien die Wahl in den USA gewonnen.
Die Nachrichtenagentur AP und mehrere US-Sender sahen am Samstag Biden nach dem Sieg im Schlüsselstaat Pennsylvania bei über 270 Wahlleuten und damit uneinholbar vor Amtsinhaber Donald Trump. Trump will einen Sieg seines Herausforderers nicht anerkennen. «Die einfache Tatsache ist, dass diese Wahl noch lange nicht vorbei ist», teilte Trump am Samstag mit. Er stellt sich als Opfer systematischen Wahlbetrugs dar, ohne stichhaltige Beweise für seine Behauptungen vorzulegen. Wegen der Corona-Pandemie hatten Millionen Amerikaner per Brief abgestimmt, weshalb sich die Auszählung der Stimmen hingezogen hatte.
In der Wahlnacht hatte Trump sich im Weißen Haus während der laufenden Auszählung zum Sieger erklärt und angekündigt, seinen Anspruch vor das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten zu bringen. In den vergangenen Tagen machte er wiederholt deutlich, dass er sich weiter als legitimer Sieger der Wahl sieht. Schon zuvor hatte der 74-Jährige offen gelassen, ob er das Wahlergebnis akzeptieren würde, und hatte eine friedliche Machtübergabe nicht garantieren wollen.
Mit dem 77-jährigen Biden geht nun wieder ein Berufspolitiker als Sieger der US-Wahl hervor, nachdem der Unternehmer Trump vor vier Jahren einen Überraschungssieg eingefahren hatte. Die Senatorin Kamala Harris würde die erste Frau und schwarze Amerikanerin im Vizepräsidentenamt. Biden hatte die Wahl seit Bekanntgabe seiner Kandidatur gegen Trump zum «Kampf um die Seele dieser Nation» erklärt.
Bei der Abstimmung am Dienstag standen auch die 435 Sitze des Repräsentantenhauses und rund ein Drittel der Sitze im Senat zur Wahl. Beim Regieren könnte Biden auf die Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus setzen. Seine Partei konnte sich zunächst nicht die Kontrolle in der zweiten Parlamentskammer, dem Senat, sichern. Über die Mehrheit im US-Senat für die kommenden zwei Jahre entscheiden voraussichtlich erst zwei Stichwahlen im Bundesstaat Georgia Anfang Januar.
Das Rennen um das Weiße Haus war nach der Wahl am Dienstag eine wahre Zitterpartie. Trump konnte sich früh den Schlüsselstaat Florida sichern, den Biden für einen schnellen Sieg gebraucht hätte. Das Duell lief danach immer weiter auf eine knappe Entscheidung in besonders umkämpften Staaten hinaus. Seit Mittwoch verstärkten sich die positiven Anzeichen für Biden, der sich siegessicher gab.
In landesweiten Umfragen hatte Biden in den vergangenen Monate vor Trump gelegen, was bei den Demokraten für vorsichtigen Optimismus sorgte. Nach dem überraschenden Trump-Sieg 2016 über Hillary Clinton behandelten viele Umfragen aber mit Vorsicht. Wegen des komplizierten Wahlsystems gelten sie ohnehin nur als begrenzt aussagekräftig.
Biden war unter Trump-Vorgänger Barack Obama Vizepräsident. Er verspricht, das tief gespaltene Land als Präsident aller Amerikaner zu einen und aus der «Zeit der Dunkelheit» zu führen. Er will die Corona-Pandemie mit einer nationalen Strategie eindämmen, die Beziehungen zu Verbündeten in aller Welt kitten und die USA in internationale Abkommen zurückführen. Zum Beispiel hat er eine Rückkehr der USA ins Pariser Klimaschutzabkommen angekündigt. Die Mitgliedschaft der USA dort endete am Mittwoch, nachdem Trump sie aufgekündigt hatte.
Bidens Kandidatur hatte Umfragen zufolge bei vielen Wählern keine Euphorie ausgelöst. Er versuchte sich vor allem über den Gegensatz zu Trump zu profilieren. Er präsentiert sich als anständiger Mann und Familienmensch. Biden ist in zweiter Ehe mit Jill Biden (69) verheiratet. Die Demokraten standen im Kampf um das Weiße Haus zuletzt geschlossen hinter Biden, der zum moderaten Flügel der Partei gehört. Zudem hatten einige Republikaner Biden den Rücken gestärkt, um eine Wiederwahl Trumps zu verhindern.
Wegen der Corona-Pandemie bestritt Biden einen extrem zurückhaltenden Wahlkampf – zunächst überwiegend digital, später auch mit einigen öffentlichen Auftritten. Er zeigte sich in der Öffentlichkeit stets mit Maske. Trump hielt ungeachtet der Ansteckungsgefahr bis zuletzt mehrere Wahlkampfveranstaltungen pro Tag mit Tausenden Anhängern ab.
Der 74-jährige Amtsinhaber wurde Anfang Oktober selber positiv auf das Coronavirus getestet und wegen seiner Covid-19-Erkrankung im Krankenhaus behandelt. Nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus rief er die Amerikaner dazu auf, «keine Angst» vor dem Virus zu haben. Biden wirft Trump Versagen in der Pandemie vor und beschuldigt ihn, für den Tod Zehntausender US-Bürger verantwortlich zu sein. Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen hatten Trump seines wichtigsten Arguments im Wahlkampf beraubt: der boomenden Wirtschaft.
Trump hatte für eine zweite Amtszeit im Wesentlichen eine Fortsetzung seiner bisherigen Politik in Aussicht gestellt. Zudem schürte er Hoffnungen auf einen bald verfügbaren Impfstoff gegen das Coronavirus und eine flächendeckende Verteilung. Aus Sicht von Kritikern hat er den Wählern keine Vision für weitere vier Jahre im Weißen Haus präsentiert. Trump betonte mehrfach, seine Regierung habe in seiner ersten Amtszeit mehr erreicht als alle anderen US-Regierungen davor.
Kritiker warfen Trump in den vergangenen Monaten immer wieder vor, die Glaubwürdigkeit der Wahl zu untergraben und damit das Feld dafür zu bereiten, eine Niederlage nicht anzuerkennen. Er warnte wiederholt vor einer weit verbreiteten Briefwahl, ohne dafür Beweise zu liefern. Vor allem kritisierte er, dass wegen der Pandemie in manchen US-Staaten Wahlunterlagen unaufgefordert an Wähler verschickt wurden und Briefwahlstimmen noch Tage nach dem eigentlichen Wahltermin berücksichtigt werden konnten. Wiederholt hatte er gefordert, dass ein Wahlergebnis noch in der Wahlnacht feststehen müsse.
Vor seinen Anhängern hat Trump mehrfach gesagt, er sei überzeugt, die Abstimmung nur durch Manipulationen verlieren zu können. Er warf den Demokraten wiederholt vor, die Wahl «stehlen» zu wollen. Wahlbetrug ist in den USA sehr selten. Selbst kleinere Vergehen können zu Gefängnisstrafen führen.
Bei traditionellen US-Verbündeten wie Deutschland dürfte ein Wahlsieg Bidens für Erleichterung sorgen. Trump hatte viele Partner mit seiner unkonventionellen Art vor den Kopf gestoßen. Den Nato-Bündnisstaaten hatte er mit einem Rückzug der USA aus der Allianz gedroht und mit der EU und China Handelskonflikte vom Zaun gebrochen. Seine Weltpolitik stand unter dem Motto «America First». Weitreichende Entscheidungen verkündete er oft über Twitter.
Der US-Präsident wird indirekt vom Volk gewählt. Die Stimmen der Wähler entscheiden über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums, das den Präsidenten dann im Dezember wählt. Für einen Sieg braucht ein Kandidat nicht die höchste absolute Stimmenzahl, sondern die Mehrheit der 538 Wahlleute – also mindestens 270. Der Präsident wird mit der Vereidigung am 20. Januar ins Amt eingeführt.
Wahlberechtigt war theoretisch jeder der rund 330 Millionen US-Bürger, der mindestens 18 Jahre alt ist. Voraussetzung war, dass sich ein Wähler registrieren ließ und nicht von der Wahl ausgeschlossen wurde – etwa wegen einer kriminellen Vergangenheit.
Nach Erhebungen der Nachrichtenagentur AP dürfte die Wahlbeteiligung voraussichtlich deutlich höher sein als vor vier Jahren. Damals nahmen der Wahlkommission (FEC) zufolge rund 137 Millionen Amerikaner teil. Gemessen an der Bevölkerung im wahlfähigen Alter von damals rund 245 Millionen Menschen entsprach das einer Wahlbeteiligung von knapp 56 Prozent.
Bereits vor der Wahl am Dienstag machten mehr als 100 Millionen Wähler von unterschiedlichen Möglichkeiten Gebrauch, ihre Stimme vorzeitig abzugeben. Umfragen hatten nahegelegt, dass die in den Wahllokalen abgegebenen Stimmen wohl eher zugunsten Trumps ausfallen dürften, die Briefwahlstimmen eher für Biden.
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