Österreichische Ermittler haben bei einem langgeplanten Schlag gegen die islamistische Szene Dutzende Wohnungen und Vereinsräume durchsucht.
Die Razzien am Montagmorgen gegen Personen und Vereine, die die Muslimbruderschaft und die Palästinenserorganisation Hamas unterstützen sollen, stünden nicht im Zusammenhang mit dem islamistischen Terroranschlag vor einer Woche in Wien, teilte die Staatsanwaltschaft Graz mit.
Die Ermittlungen gegen mehr als 70 Beschuldigte sowie mehrere Vereine liefen demnach bereits seit über einem Jahr. Hunderte Einsatzkräfte durchsuchten am Morgen mehr als 60 Wohnungen, Geschäfts- und Vereinsräume in Wien sowie der Steiermark, Kärnten und Niederösterreich. 30 Menschen sollten vernommen werden. Ermittelt wird unter anderem wegen Verdachts der terroristischen Vereinigung, der Terrorismusfinanzierung und der Geldwäsche.
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nannte die Aktion Teil des Kampfs gegen «die Ideologie des politischen Islams und die Finanzierer von Radikalisierung und Terrorismus». Ziel der Ermittlungen war die Muslimbruderschaft. Die aus Ägypten stammende Bewegung ruft, anders als dschihadistische Gruppen, nicht zur Gewalt auf, strebt aber die Durchsetzung des islamischen Rechts (Scharia) an.
In Europa geht es ihr vor allem darum, möglichst viele Anhänger zu gewinnen, die nach den Vorstellungen der Bruderschaft leben und den politischen Spielraum für Islamisten zu erweitern. In Österreich kam eine umstrittene Studie vor drei Jahren zu dem Schluss, dass die Muslimbruderschaft dort keine direkten Ableger habe, aber mit anderen Vereinen stark vernetzt sei.
«Die Muslimbrüder sind eine Organisation, die perfekt versteht, zivile Gesellschaftsstrukturen zu unterwandern. Sie tritt nicht in klassischer brutaler Rhetorik, die man von Radikalisierten kennt, in Erscheinung, sondern versucht es über andere Wege und das macht sie so gefährlich», sagte Nehammer.
Vertreter der Muslimbrüder in Österreich unterstützten nach Angaben der ermittelnden Staatsanwaltschaft Graz auch die Tätigkeit der palästinensischen Hamas-Bewegung, die von der EU als Terrororganisation eingestuft wird. «Der militärische Arm der Hamas ist verboten in Österreich, deshalb war es uns möglich, diese Ermittlungen so intensiv zu führen», erklärte Nehammer.
Die langgeplante Aktion hätte nach dem Anschlag eines vorbestraften IS-Sympathisanten mit vier Todesopfern am Montagabend in Wien indes fast schief gehen können. Der Ex-Innenminister Herbert Kickl von der rechtspopulistischen FPÖ hatte in einer Pressekonferenz am Mittwoch von einer für Dienstag geplanten geheimen Polizeioperation mitsamt ihrem Codenamen «Ramses» gesprochen. Die sei der Grund dafür gewesen, dass Einsatzkräfte bei dem Anschlag schnell eingreifen konnten. Polizisten hatten den Täter neun Minuten nach dem ersten Notruf erschossen.
Medienberichte, dass es sich bei dem nun «Luxor» genannten Aktion um «Ramses» handelte, bestätigte Nehammer nicht ausdrücklich. Er betonte aber, dass der Einsatz kurzfristiges Umdenken erfordert habe. Innerhalb der Behörden werde ermittelt, wie Details über eine geheime Operation an die Öffentlichkeit gelangen konnten, sagte der Chef der obersten Polizeibehörde, Franz Ruf.
Die österreichische Regierung hatte nach dem Terroranschlag von Wien mit vier Todesopfern und über 20 Verletzten angekündigt, verstärkt gegen die Ideologie des politischen Islams vorzugehen. Die Sicherheitsbehörden stehen derweil wegen Ermittlungsfehler im Vorfeld des Anschlags von Wien weiter massiv in der Kritik.
Der spätere Attentäter, ein bei Wien geborener vorbestrafter Anhänger der Terrormiliz IS, traf sich im Juli in Wien nicht nur mit zwei vom deutschen Verfassungsschutz beobachteten Männern, sondern auch mit zwei nach dem Anschlag in der Schweiz verhafteten Verdächtigen, wie Ruf bestätigte. Auch mehrere der zehn nun in Untersuchungshaft sitzenden verdächtigen Kontakte des Täters seien dabei gewesen. Tage später fuhr der 20-Jährige in die Slowakei, um Munition für ein Sturmgewehr zu kaufen.
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