Ein CDU-Vorstoß für eine Streichung des festen Rentenalters stößt bei SPD, Grünen und Linken auf Ablehnung. Die FDP verweist darauf, dass sie das schon lange will.
Die SPD-Chefin Saskia Esken sagte am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: «Mit dem Rentenkonzept der CDU werden die Corona-Helden von heute zu Almosenempfängern von morgen.»
Der CDU-Bundesfachausschusses Soziale Sicherung und Arbeitswelt hatte vor wenigen Tagen Pläne für eine große Rentenreform beschlossen. Gedacht sind sie für das CDU-Wahlprogramm für den Bundestagswahlkampf 2021. Die nach offiziellen Prognosen weiter steigende Lebenserwartung müsse so genutzt werden, dass gewonnene Lebenszeit teils in Erwerbstätigkeit verbracht werde.
Statt eines «fixen gesetzlichen Renteneintrittsalters für alle» solle es künftig einen individuellen Übergang in die Rente geben, so die von Dutzenden CDU-Politikern strömungsübergreifend getragene Forderung. Längerfristig wollen die CDU-Experten damit folglich die geltende Regelung abschaffen, nach der das reguläre Rentenalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre steigt.
Esken hielt dem entgegen, etwa Altenpflegerinnen, Erzieherinnen und Busfahrer erreichten oft nicht das reguläre Rentenalter und damit auch nicht die volle Rente. Der Grund: Nach oft Jahrzehnten harter Arbeit müssten viele von ihnen vorzeitig aufhören zu arbeiten.
Esken sagte, eine noch längere Lebensarbeitszeit würde für viele zu noch schmerzhafteren Rentenkürzungen führen. Diese neuerdings als systemrelevant erkannten Erwerbstätigen bräuchten eine gesetzliche Rente, von der man leben kann. «Eine Aushöhlung der Alterssicherung wird es mit uns nicht geben», sagte Esken.
Der Grünen-Experte Markus Kurth nannte eine Konzentration auf die Frage des Rentenalters »nicht sinnvoll». Kurth sagte der dpa: «Zur Stabilisierung des Rentenniveaus stehen verschiedene Finanzierungswege zur Verfügung.» Er nannte die Ausweitung der Erwerbstätigkeit von Frauen oder einen höheren Steuerzuschuss.
Der Linke-Rentenexperte Matthias Birkwald sagte, eine breite Front aus Arbeitgeberverbänden, Union, FDP, der OECD und sogenannten Rentenpäpsten fordere unter verschiedenen Etiketten immer wieder, dass die Beschäftigten länger arbeiten, um die Rentenfinanzen zu entlasten. «Die Politik der Rente erst ab 67 – und auch der CDU-Vorschlag für einen individuellen Rentenübergang – sind nichts Anderes als eine unsoziale Rentenkürzung nach dem Motto „Länger einzahlen und kürzer Rente erhalten“.»
Stattdessen sollten alle Versicherten wieder ab 65 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen dürfen, nach 40 Beitragsjahren sogar schon ab 60 Jahren, sagte Birkwald der dpa.
Die CDU-Experten fordern auch den Aufbau eines Fonds für eine Kapitalanlage innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung. Selbstständige sollen zudem wie Arbeitnehmer, Beamte oder Minijobber ein Standardvorsorgeprodukt abschließen können. Dieses soll schwerpunktmäßig auf Aktienanlagen basieren. Der Staat soll Kriterien für das Produkt festlegen.
Zustimmung zur Forderung nach einem flexiblen Renteneintrittsalter kam von der FDP. Ihr Rentenexperte Johannes Vogel sagte der dpa: «2017 hat die CDU unseren Vorschlag eines flexiblen Renteneintritts noch strikt abgelehnt.» Er meinte: «Sollte die Union umdenken, wäre das ein spätes, aber richtiges Einlenken.» Um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, brauche es aber mehr als ein buntes Sammelsurium von Vorschlägen eines Fachausschusses voller Prüfaufträge an die eigene Bundesregierung.
SPD-Fraktionsvize Katja Mast warf der CDU viel Lärm um nichts vor. «Sie ist innerlich zerstritten und drückt sich vor den entscheidenden Fragen. Wie immer», sagte sie der dpa. Die Vorschläge verschärften die Umverteilung von arm zu reich.
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