Die Europäische Union verschärft ihr Klimaziel für 2030 deutlich. Um mindestens 55 Prozent soll der Ausstoß von Treibhausgasen unter den Wert von 1990 sinken. Dies beschloss der EU-Gipfel in Brüssel am Freitagmorgen, wie Ratschef Charles Michel mitteilte.
Bisher galt ein Ziel von minus 40 Prozent. Zuvor waren die Verhandlungen über das Klimaziel festgefahren. Zwar waren sich die 27 Staaten nach Angaben aus EU-Kreisen weitgehend einig, das Ziel für 2030 deutlich hochzuschrauben. Polen und einige andere östliche Länder beharrten aber dem Vernehmen nach auf zusätzlichen finanziellen Hilfen für die Energiewende.
Am Donnerstag war den 27 Staaten beim Haushalt eine wichtige Einigung gelungen: Der Gipfel machte den Weg frei für das 1,8 Billionen schwere Finanzpaket für die nächsten sieben Jahre. Den Durchbruch brachte ein von Deutschland vermittelter Kompromiss, den alle Staats- und Regierungschefs billigten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kann damit kurz vor Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft einen Erfolg verbuchen.
Ungarn und Polen hatten das Haushaltspaket einschließlich 750 Milliarden Euro an Corona-Hilfen blockiert, weil sie mit einem neuen Rechtsstaats-Mechanismus nicht einverstanden waren. Doch warteten die von der Pandemie hart getroffenen EU-Staaten dringend auf das Geld. Der Gemeinschaft drohte ein ernster Dauerkonflikt. Nun können die Hilfen fließen, sofern das Europaparlament zustimmt. Auch ein Nothaushalt 2021 bleibt der EU voraussichtlich erspart.
Der Kompromiss sieht eine Zusatzerklärung zu dem neuen Mechanismus vor, mit dem bestimmte Rechtsstaatsverstöße durch Kürzung von EU-Mitteln geahndet werden können. Darin sind Möglichkeiten festgelegt, wie Ungarn und Polen sich gegen die Anwendung der Regelung wehren könnten. Dazu gehört eine Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof, was die Anwendung des Verfahrens deutlich hinauszögern könnte.
Polen und Ungarn kündigten tatsächlich umgehend eine EuGH-Klage an. Den Kompromiss verbuchten sie als Erfolg für sich. Befürworter des Rechtsstaats-Mechanismus freuten sich ihrerseits, dass das Instrument nun tatsächlich eingeführt wird. Der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen meinte, die Zusatzerklärung sei unverbindlich. Erleichterung herrschte vor allem, dass in der Corona-Krise die Finanzmittel freigegeben werden. «Europa beweist seine Handlungsfähigkeit», sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz.
Die EU-Staaten gelobten auch eine enger abgestimmte Linie im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Insbesondere bei den möglichen Lockerungen der bisherigen Reisebeschränkungen wolle man zusammenarbeiten – sobald es die gesundheitliche Situation erlaube. Von der EU-Kommission erwarte man Empfehlungen zu Verwendung und gegenseitiger Anerkennung von Antigen-Schnelltests. Auch ein gemeinsamer Ansatz für Impfpässe soll entwickelt werden.
Einig wurden sich die Staats- und Regierungschefs zudem bei Sanktionen gegen Russland und die Türkei. Die wegen des Ukraine-Konflikts verhängten Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland wurden um weitere sechs Monate verlängert, bis Ende Juli nächsten Jahres.
Gegen die Türkei werden neue Sanktionen verhängt. Grund sind die nicht genehmigten türkischen Erdgaserkundungen vor Zypern, wie aus dem Gipfelbeschluss hervorgeht. Die Sanktionen könnten sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen treffen, die an den als illegal erachteten Probebohrungen beteiligt sind. Die Strafmaßnahmen sollen vom Ministerrat endgültig beschlossen werden und Einreiseverbote und Vermögenssperren umfassen. Sanktionen gegen ganze Wirtschaftszweige oder ein EU-Waffenembargo wird es hingegen vorerst nicht geben.
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