Die seit sieben Jahren laufenden Verhandlungen zwischen China und der EU über ein Investitionsabkommen sind in der Schlussphase ins Stocken geraten.
Zwar hat China neue Zugeständnisse beim Marktzugang für europäische Unternehmen gemacht, doch gibt es weiter viele Differenzen, wie aus dem jüngsten Entwurf hervorgeht, der am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Peking vorlag. Außerdem regt sich Widerstand in der EU, während sich die künftige US-Regierung des gewählten Präsidenten Joe Biden gegen einen Alleingang der Europäer im Umgang mit China ausspricht.
Eigentlich strebten die EU und China bis Jahresende zumindest eine grundsätzliche Einigung an, doch gibt es auf den letzten Metern «Sand im Getriebe», wie es heißt. So hatten EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis und Chinas Vizepremier Liu He ursprünglich am Montag noch ausstehende Streitthemen ausbügeln wollen, doch wurden die Spitzengespräche nach dpa-Informationen überraschend auf die Zeit nach Weihnachten verschoben.
Derweil wächst der Druck der USA. Der designierte Sicherheitsberater der künftigen US-Regierung, Jake Sullivan, schrieb auf Twitter zu den Verhandlungen, die neue US-Administration würde «frühe Konsultationen mit unseren europäischen Partnern über unsere gemeinsamen Besorgnisse über Chinas wirtschaftliche Praktiken begrüßen». Biden hatte klar gemacht, an einem harten Kurs gegenüber China festhalten und dafür Allianzen mit Verbündeten wie den Europäern schmieden zu wollen.
Das Abkommen ist der bislang umfassendste Versuch der EU, das wirtschaftliche Verhältnis mit der aufstrebenden, zweitgrößten Volkswirtschaft auf neue Füße zu stellen. Es strebt mehr Marktzugang und bessere Wettbewerbsbedingungen in dem Wachstumsmarkt an. Nach den USA ist China der zweitwichtigste Handelspartner der Europäer.
Strittig sind in den Verhandlungen unter anderem die Arbeitsrechte. Dazu bedarf es weiterer Diskussionen «auf politischer Ebene», wie es im Textentwurf heißt. Kritiker des Abkommens fordern weitgehende Zusagen Chinas unter anderem zu Zwangsarbeit. China bestreitet aber, dass es überhaupt Zwangsarbeit gibt, und weist solche Vorwürfe insbesondere im Umgang mit der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Nordwestregion Xinjiang als «völlig grundlos» zurück.
Ganz ausgeklammert wurde das Streitthema der Benachteiligung europäischer Unternehmen bei der öffentlichen Beschaffung in China. Bei staatlichen Subventionen hingegen wurde ein größeres Maß an «Transparenz» und ein Mechanismus vereinbart, wie auf negative Auswirkungen hingewiesen werden kann, auch wenn der Textentwurf zu einer möglichen Lösung eines Konflikts vage bleibt.
Neue Zugeständnisse gab es von chinesischer Seite allerdings bei Transportdiensten zur See oder in der Luft, in den Bereichen Finanzen, Computer, Forschung und Entwicklung, Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, Telekommunikation, Cloud-Dienste und beim Betrieb privater Krankenhäuser, wie aus einer internen Unterrichtung zu dem Abkommen aus Brüssel hervorgeht.
Beide Seiten bekräftigen zu Beginn des Entwurfs ihre Absicht, «ein besseres Klima zur Förderung und Entwicklung des Handels und der Investitionen zu schaffen». In der Vereinbarung würden «die notwendigen Vereinbarungen für eine fortschrittliche und bedeutende Liberalisierung der Investitionen» festgelegt.
Das Abkommen sei für beide Seiten von Nutzen, sagte Chinas Außenamtssprecher Wang Wenbin vor der Presse in Peking. Einen Bericht der «Wirtschaftswoche», wonach auch Chinas Forderung, in europäische Kernkraftwerke investieren und chinesische Technologie einsetzen zu wollen, die Verhandlungen stocken lasse, wies er als «falsch» zurück. Nach seiner Kenntnis liefen die Verhandlungen «reibungslos».
Ein Durchbruch während der Machtübergabe in Washington wäre für viele Beobachter ein «symbolischer Sieg» der kommunistischen Führung in Peking. Es würde zeigen, dass China – ungeachtet des wachsenden Protektionismus und der Überlegungen in den USA für eine Entkoppelung von China – die Globalisierung mit wichtigen Partner voranbringen kann. Kritiker fürchten, dass es einen Keil zwischen die USA und Europa treiben könnte. Gerade jetzt, wo sich beide Seiten nach dem Abschied von Präsident Donald Trump wieder annähern wollen.
Kanzlerin Angela Merkel als amtierende EU-Ratspräsidentin und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sowie die EU-Kommission sollen sich nach unbestätigten Berichten von vergangener Woche aber einig gewesen sein, jetzt eine grundsätzliche Einigung mit China voranzutreiben. Doch regt sich Widerstand auch im EU-Parlament, das dem Investitionsabkommen am Ende zustimmen müsste.
Der Direktor des China-Instituts Merics in Berlin, Mikko Huotari, sieht in dem Abkommen nur «bescheidene Fortschritte mit Blick auf Gleichbehandlung und mehr Marktzugang». Die geopolitische Gesamtsituation und die Themen, die ausgeklammert werden mussten, «machen es nicht zu dem Abkommen, das Europäer sich zu Beginn der Verhandlungen vor sieben Jahren gewünscht haben». Trotzdem erhielten europäische Unternehmen damit «tatsächlich neue Geschäftsoptionen in China», sagte Huotari.
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