Der Schwere seiner Aufgabe ist sich Christian Gross durchaus bewusst. «Es gibt viel zu tun», sagte der 66 Jahre alte Schweizer, der den FC Schalke 04 vor dem Abstieg aus der Fußball-Bundesliga retten soll.
«Lassen sie mich das anpacken», fügte er bei seiner Vorstellung als bereits vierter Trainer des Tabellenletzten in dieser Saison hinzu.
Skeptiker gibt es viele, nicht nur im Revier. Das liegt einerseits an der Katastrophensaison des seit fast einem Jahr in der Liga sieglosen Traditionsclubs, andererseits auch an Gross. Vor über acht Jahren trainierte der frühere Coach des VfB Stuttgart und der Tottenham Hotspur zuletzt einen europäischen Club – die Young Boys Bern. Anschließend war der als kompromissloser und autoritärer Coach geltende Gross in Saudi Arabien und Ägypten beschäftigt. «Auch dort wird Fußball gespielt», entgegnete Gross seinen Skeptikern.
Der FC Schalke tat viel dafür, zu dokumentieren, dass Gross wirklich der richtige Mann dafür ist, den Club aus der größten sportlichen Krise seit 30 Jahren zu führen. Unter anderem war auch Kurzzeit-Vorgänger Huub Stevens als Mitglied des Aufsichtsrates bei der Vorstellung dabei. «Er stand auch bei mir an erster Stelle», behauptete Stevens, der Schalke nach der Beurlaubung von Manuel Baum für zwei Pflichtspiele betreut hatte. Dabei soll laut «Bild» Friedhelm Funkel die Empfehlung von Stevens gewesen sein.
«Wir sind in einer sehr schwierigen, äußerst prekären Situation. Wir haben eine gemeinsame Mission. Das wird kein Sprint, sondern ein Marathon», sagte Sportchef Jochen Schneider, der nach der Beurlaubung von David Wagner nach nur zwei Spieltagen und dem Fehlgriff Baum auch stark in der Kritik steht. Funktioniert es auch mit Gross nicht, dürfte auch Schneider kaum mehr zu halten sein.
Bis zum Relegationsplatz, den Bielefeld einnimmt, fehlen den Schalkern nach der jüngsten 0:1-Pleite gegen die Arminia bereits sechs Punkte. Angesichts des freien Falls der Königsblauen, den auch Baum nicht aufhalten konnte, gab es laut Gross bereits «vor circa drei Wochen» ersten intensiven Kontakt zwischen Schneider und ihm.
Noch vor Heiligabend hatte sich der 50 Jahre alte Schalker Sportvorstand beim Aufsichtsrat dann den Segen abgeholt, Gross verpflichten zu dürfen. Die Verkündung der Personalie zog sich dann nach weiteren Gesprächen über die Weihnachtstage bis Sonntag hin. Dem Vernehmen nach soll Gross ein geringes Grundgehalt beziehen, aber im Fall des Klassenverbleibs eine üppige Prämie kassieren.
Vor gut zehn Jahren erlebte Schneider beim VfB Stuttgart schon einmal eine erfolgreiche Retter-Aktion von Gross, an die er sich nun erinnerte. Vielleicht auch wegen der damaligen Erfahrung – wegen eines Fehlstarts in die Saison nach der Rettung beurlaubte der VfB Gross 2010 sogleich wieder – erhielt der Schweizer auf Schalke zunächst nur einen Vertrag bis zum Saisonende. Dass Gross gerne länger beim «weltberühmten Club» Schalke arbeiten würde, ließ er durchblicken: «Ich habe noch sehr viel Energie.»
Anders als sein Vor-Vorgänger Baum, der in bayrischem Idiom im Ruhrpott bei seiner Vorstellung als Schalke-Coach vorgegeben hatte, «malochen» zu wollen, vermittelte Gross diesen Eindruck wesentlich subtiler. Im Trainingsanzug sprach er ruhig, aber entschlossen über sein Vorhaben und seine Erwartungen. «Die Mannschaft muss alles aus sich rausholen, dann kann sie Tolles schaffen», sagte Gross, der sich eine mutigere Mannschaft in den restlichen 21 Saisonspielen wünscht. «Ich muss voran gehen und ich werde sicher mit sehr viel Zuversicht an die Aufgabe herangehen.»
Dafür soll der vermeintliche Retter jegliche Unterstützung erhalten. Trotz der angespannten finanziellen Situation könnten im Winter noch neue Spieler kommen. «Es gibt natürlich immer Wünsche, welcher Trainer hat solche Wünsche nicht? Ich denke, dass wir vor allem auf den Außenbahnen bedarf haben», sagte Gross und Schneider fügte hinzu: «Wir werden alles tun, wozu wir in der Lage sind.» Der «Bild» zufolge sind die Königsblauen an Offensiv-Spieler Marco Richter vom FC Augsburg interessiert. Der 23-Jährige soll ausgeliehen werden.
An diesem Montag will Gross auf dem Trainingsplatz mit seinem neuen Team loslegen. Schon am 2. Januar steht das Auswärtsspiel bei Hertha BSC an. Sollte dort kein Erfolg gelingen, droht eine Woche später daheim gegen Hoffenheim die Einstellung des historischen Negativ-Rekords von Tasmania Berlin in der Saison 1965/66 mit 31 Spielen ohne Erfolg.
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