60 Klagen gegen Kostenbeteiligung an Corona-Rückholaktion

Es war ein beispielloser logistischer Kraftakt: 240.000 gestrandete Deutsche wurden im Frühjahr wegen Corona aus aller Welt nach Hause geholt, viele in Chartermaschinen der Regierung. Nicht jeder will für den Service zahlen.

Die größte Rückholaktion in der Geschichte der Bundesrepublik kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie hat ein juristisches Nachspiel.

Einige der damals mit Chartermaschinen der Bundesregierung in aller Welt eingesammelten Reisenden weigern sich, sich an den Kosten zu beteiligen. Inzwischen gibt es 60 Klagen gegen Zahlungsbescheide des Auswärtigen Amts. Das geht aus einer Antwort des Staatssekretärs Miguel Berger auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Roman Müller-Böhm hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Wie die Klagen begründet werden, steht in dem Schreiben nicht.

Insgesamt kommt die Bezahlung der Flüge nur schleppend voran. Acht Monate nach Ende der Aktion hat das Ministerium erst gut ein Viertel der etwa 37 Millionen Euro kassiert, die sie den Passagieren in Rechnung stellen wollte. Bis zum 16. Dezember sind laut Berger erst 10,6 Millionen Euro in die Staatskasse zurückgeflossen.

Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte die Aktion am 17. März zusammen mit Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften gestartet, nachdem viele Länder wegen der Corona-Pandemie kurzfristig Grenzen geschlossen und Flugverbindungen gekappt hatten. Insgesamt wurden etwa 240.000 Reisende zurückgebracht. Die Reiseveranstalter flogen die Touristen, die bei ihnen gebucht hatten, selbst kostenlos aus.

Für Individualtouristen und andere Rückkehrwillige charterte das Auswärtige Amt Maschinen, die 260 Flüge absolvierten und bis Ende April rund 67.000 Menschen aus rund 65 Ländern zurückbrachten. Ab Juni wurden die Rückkehrer zur Kasse gebeten. Die veranschlagten Ticketpreise lagen etwa im Bereich günstiger Economy-Tickets für die jeweiligen Regionen. Für Flüge von den Kanarischen Inseln und Nordafrika mussten 200 Euro gezahlt werden, für das südliche Afrika und die Karibik wurden 500 Euro fällig, Rückkehrer aus Südamerika und Asien mussten 600 Euro zahlen, und wer aus Neuseeland, Australien oder von einer Südseeinsel zurückgeholt wurde, erhielt eine Rechnung über 1000 Euro.

Bis Mitte Dezember wurden laut Staatssekretär Berger 28 728 Zahlungsbescheide versandt. Wie viele davon beglichen wurden, geht aus seinem Schreiben nicht hervor.

Das Auswärtige Amt war im Juni davon ausgegangen, dass die Aktion 93,8 Millionen Euro gekostet hat. Knapp 40 Prozent davon sollte von den Flugpassagieren selbst übernommen werden. Ihre Kostenbeteiligung ist im Konsulargesetz vorgeschrieben ohne dass eine genaue Höhe genannt wird.

Die EU unterstützte die Rückholaktionen der einzelnen Mitgliedstaaten zudem mit Zuschüssen. Die deutschen Steuerzahler sollten nach den ursprünglichen Berechnungen des Ministeriums unter dem Strich dann noch mit 23 Millionen Euro oder 24 Prozent beteiligt werden.

Eins steht acht Monate nach der Rückholaktion fest: Eine Wiederholung soll es möglichst nicht geben. Deswegen hatte das Auswärtige Amt im März auch eine weltweite Reisewarnung ausgesprochen. Die wurde später zwar durch individuelle Lagebewertungen für die einzelnen Länder ersetzt. Das ändert aber nichts daran, dass heute knapp 150 aller etwa 200 Staaten weltweit als Risikogebiete gelten und mit einer Reisewarnung belegt sind. Unter den restlichen etwa 50 Ländern sind einige, in denen die Infektionslage zwar entspannt ist, die aber ausländische Touristen gar nicht oder nur unter massiven Einschränkungen einreisen lassen. Dazu zählt beispielsweise das unter deutschen Urlaubern beliebte Winterreiseziel Thailand.

Die Hoffnung auf einen unbeschwerten Sommerurlaub in 2021 ist trotz der beginnenden Impfungen in Deutschland gering. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa glaubt nur jeder zehnte Deutsche (9 Prozent) daran, dass man dann wieder überall hin reisen kann. 77 Prozent rechnen nicht damit, 13 Prozent machten keine Angaben.

Außenminister Maas hofft, dass die Situation im nächsten Jahr zumindest besser als im vergangenen Sommer wird, als Urlaub nur unter strengen Einschränkungen möglich war. «Das hängt davon ab, wie wir uns in den kommenden Wochen und Monaten verhalten werden», sagte er der dpa. «Wenn jeder seinen Beitrag dazu leistet, Infektionen zu verhindern, wenn wir mit dem Impfen Schritt für Schritt vorankommen, dann hoffe ich, dass wir im Sommer zumindest nicht mehr die Restriktionen haben, die wir im vergangenen Sommer hatten.»

© dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten.