China und die EU haben sich grundsätzlich auf ein zukunftsweisendes Investitionsabkommen geeinigt. Nach sieben Jahren verkündeten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und chinesische Staatsmedien den Abschluss der Verhandlungen.
Zuvor hatten die EU-Spitze mit von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel sowie Kanzlerin Angela Merkel für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über Video mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping gesprochen.
Das Abkommen soll den Marktzugang für europäische Unternehmen in China verbessern, für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen und neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen.
Es ist der bislang umfassendste Versuch der EU, das wirtschaftliche Verhältnis mit der aufstrebenden, zweitgrößten Volkswirtschaft auf neue Füße zu stellen. Kritikern geht es aber nicht weit genug. Auch zeigte die künftige US-Regierung gewisse Vorbehalte gegenüber einem Alleingang der Europäer.
«Die Welt nach der Pandemie braucht eine starke Beziehung zwischen der EU und China», schrieb Kommissionspräsidentin von der Leyen auf Twitter. «Aber das setzt Zusammenarbeit und Vertrauen voraus – auch bei Handel und Investitionen.» Die EU habe den größten offenen Markt der Welt. «Aber wir legen Wert auf Gegenseitigkeit und fairen Wettbewerb.» Chinas Präsident sagte, das Abkommen demonstriere «Chinas Entschlossenheit zu einer weiteren Öffnung».
Der Durchbruch erfolgte, nachdem China auch bei dem Streitthema der Arbeitsrechte neue Versprechen gemacht hatte. So habe die kommunistische Führung zugesagt, «dauerhafte und nachhaltige Anstrengungen» zur Ratifizierung zweier Konventionen der internationalen Arbeitsorganisation ILO gegen Zwangsarbeit zu unternehmen, wie aus einer internen Unterrichtung an die EU-Mitgliedsstaaten hervorgeht, die der dpa vorliegt. Kritiker sahen allerdings nur ein «oberflächliches Lippenbekenntnis».
Als bevölkerungsreichstes Land der Erde mit 1,4 Milliarden Menschen ist China ein wichtiger Handels- und Wirtschaftspartner für die EU. Im vergangenen Jahr wurden täglich Waren im Wert von durchschnittlich 1,5 Milliarden Euro zwischen beiden Seiten gehandelt. Nach den USA ist China der zweitwichtigste Handelspartner der Europäer. Für die EU gilt der Abschluss des Abkommens auch als Voraussetzung für die Aufnahme von Gesprächen über ein Freihandelsabkommen.
Die grundsätzliche Einigung ist ein «erster Schritt», dem noch weitere Verhandlungen über den genauen rechtlichen Text des Abkommens und «bedeutende technische Arbeit» folgen werden, wie aus dem Papier an die EU-Mitglieder hervorgeht. Die EU-Kommission rechnet demnach mit einem Abschluss erst «Anfang 2022». Das Abkommen sei nur ein einzelnes Instrument, aber «nicht eine Wunderwaffe zur Lösung aller Probleme und Herausforderungen in Bezug auf China».
Die Bundesregierung wertete die Einigung als großen Erfolg der Kanzlerin zum Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Es seien europäische Werte in dem Investitionsabkommen verankert worden – «so weit es überhaupt möglich ist», hieß es von Regierungsseite. «Es löst nicht alle kritischen Fragen, aber es ist ein großer Fortschritt.»
Für Chinas Staats- und Parteichef ist es ein wichtiger symbolischer Sieg vor dem Hintergrund des laufenden Handelskrieges mit den USA – ausgerechnet während der Machtübergabe in Washington. Der gewählte US-Präsident Joe Biden will an dem harten Kurs gegenüber China festhalten und Allianzen mit Verbündeten wie den Europäern schmieden. So gibt es Bedenken, dass Brüssel vorschnell und ohne weitere Konsultationen mit der neuen US-Regierung vorgeht.
«Diese Sorgen sind verständlich, aber ungerechtfertigt», heißt es in dem internen EU-Papier. Die EU begrüße eine Kooperation mit den USA gegenüber China, die «auf verschiedenen Pfeilern» stehen sollte. Von mehr Marktzugang, Transparenz und besseren Wettbewerbsbedingungen in China profitierten auch Europas Handelspartner. Größere Offenheit bei staatlichen Subventionen oder Verpflichtungen für Staatsunternehmen dürften auch der Arbeit der Welthandelsorganisation (WTO) helfen.
Bis zuletzt war um das Abkommen gerungen worden. Neue Zugeständnisse Chinas gab es bei Transportdiensten zur See oder in der Luft, in den Bereichen Finanzen, Computer, Forschung und Entwicklung, Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, Telekommunikation, Cloud-Dienste und beim Betrieb privater Krankenhäuser, wie aus EU-Kreisen verlautete.
Beide Seiten bekräftigen zu Beginn des Abkommens ihre Absicht, «ein besseres Klima zur Förderung und Entwicklung des Handels und der Investitionen zu schaffen». In der Vereinbarung würden «die notwendigen Vereinbarungen für eine fortschrittliche und bedeutende Liberalisierung der Investitionen» festgelegt.
Bei staatlichen Subventionen wurde ein größeres Maß an «Transparenz» und ein Mechanismus vereinbart, um auf negative Auswirkungen dadurch hinzuweisen. Ganz ausgeklammert wurde das Streitthema der Benachteiligung europäischer Unternehmen bei der öffentlichen Beschaffung in China. Nicht enthalten ist auch der Investitionsschutz, über den aber separat verhandelt wird. Beide Seiten wollen die Verhandlungen darüber innerhalb von zwei Jahren nach Unterzeichnung des Investitionsabkommens abschließen.
Zur Beilegung von Differenzen zwischen Unternehmen sieht der Textentwurf einen Mechanismus für Konsultationen oder schließlich ein Gremium aus drei Experten vor, die eine Vermittlung versuchen sollen. Auch die Streitbeilegung zwischen Staaten über ein Schlichtungsgremium unter Vorsitz eines Fachmanns, der nicht die Nationalität der beteiligten Parteien besitzt, ist detailliert geregelt. Es sollen dafür Listen mit Experten aufgestellt werden.
Die europäische Handelskammer in China begrüßte die Einigung. «Wir erwarten sehnlichst die Veröffentlichung der Details dieser politischen Vereinbarung und hoffen auf einen belastbaren und mutigen Abschluss», sagte Kammerpräsident Jörg Wuttke in Peking. Bevor der finale Text vereinbart und ratifiziert sei, müssten wahrscheinlich «zusätzliche Hürden» überwunden werden.
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