Inmitten des sportlichen Aufschwungs droht der VfB Stuttgart sich auf höchster Ebene selbst zu zerlegen.
Auf beispiellose Art und Weise greifen Vorstandsboss Thomas Hitzlsperger und Präsident Claus Vogt sich in aller Öffentlichkeit gegenseitig an und gehen in einem erbitterten Machtkampf in die nächste Runde. Nach der ungewöhnlich scharfen Attacke von Hitzlsperger legte Aufsichtsratschef Vogt nach und wehrte sich gegen die Vorwürfe des Ex-Nationalspielers.
«Ich, nein wir, alle hatten es sicherlich nicht für möglich gehalten, dass sich ein Vorstandsmitglied eines Clubs gegenüber seinem Aufsichtsratsvorsitzenden öffentlich derart im Ton vergreift», schrieb der 51-Jährige in einer persönlichen Erklärung. «Gestern bin ich in einer Art öffentlich angegriffen worden (und die Öffentlichkeit ist mit zum Teil unwahren Behauptungen konfrontiert worden), dies kann ich so nicht stehen lassen.»
Typisch VfB, mögen manche sagen. Obwohl es in der Fußball-Bundesliga für den Aufsteiger so gut wie lange nicht mehr läuft, brodelt es hinter den Kulissen gewaltig. Anstatt miteinander reden Vogt und Hitzlsperger nur noch übereinander. Am Mittwoch eskalierte die Situation, als Hitzlsperger ankündigte, bei der Mitgliederversammlung am 18. März 2021 ebenfalls für das Präsidentenamt kandidieren zu wollen. In einem einmaligen Streben nach Macht möchte der 38-Jährige Vogt aus dem Amt drängen, um künftig Vorstandsvorsitz und Präsidentenposten in Personalunion zu bekleiden.
Der Anlass für diesen Schritt? Vogt allein. Sagt Hitzlsperger. «Ein tiefer Riss geht durch unseren Club», schrieb der Ex-Profi. Dieser Riss verlaufe zwischen Vogt auf der einen Seite «und dem gesamten Vorstand der AG und zahlreichen Gremienmitgliedern aus Präsidium, Aufsichtsrat und Vereinsbeirat sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der anderen Seite». Vogts Profilierungswunsch bedrohe «die Existenz des ganzen Vereins». Von Vogts Zielen und Vorstellungen, mit denen er vor einem Jahr angetreten war, sei «so gut wie nichts» umgesetzt worden. Es war ein Angriff sondergleichen.
Erst nach langem Abwägen setzte sich Vogt zur Wehr. Dem vierseitigen Brief von Hitzlsperger folgte ein vierseitiger Brief des Präsidenten. Und der Unternehmer aus Böblingen machte deutlich, was aus seiner Sicht der Hauptgrund für die Eskalation des Machtkampfs ist: «Die Aufklärung des Datenskandals.» Hierbei sollen Mitarbeiter des Clubs im Vorfeld der Mitgliederversammlung im Sommer 2017 wiederholt Mitgliederdaten an Dritte weitergegeben haben. Vogt beauftragte vor einigen Monaten schließlich eine externe Kanzlei damit, aufzuklären, wer und was dahintersteckt. Nun erhebt er schwere Vorwürfe gegen den VfB und Hitzlsperger.
«Mehrfach wurde in den zurückliegenden Wochen versucht, die Arbeit der Kanzlei Esecon zu torpedieren», schreibt Vogt. «Man kann zu dem Eindruck kommen, dass es im und um den VfB Menschen/Personen gibt, die diese Aufklärung nicht wollen.» Hitzlsperger dagegen hatte behauptet, dass Vogt den Auftrag «ohne Ausschreibung, ohne Kostenschätzung und ohne Projektplan durchgedrückt» habe. Die dadurch entstandenen «ausufernden Kosten» hätten dazu geführt, dass die ausgegliederte Profifußball-AG den Verein nun unterstützen müsse, «um ihn vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren».
Stimmt nicht, sagt Vogt. «Die Kosten für die Aufklärung der Anwaltskanzlei wurden von mir regelmäßig kontrolliert und den Kollegen des Präsidiums mitgeteilt. Zudem sind diese Kosten von einer Versicherung größtenteils gedeckt!» Was auch immer nun wahr ist: Der Imageschaden für den schwäbischen Traditionsclub ist schon jetzt groß.
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