Myanmars Militär ernennt neues Kabinett

Nach dem Putsch in Myanmar ist der Verbleib von Aung San Suu Kyi weiter unklar. Rufe nach ihrer Freilassung und nach Sanktionen werden lauter. Aber die Frage bleibt: Warum hat das Militär geputscht?

Nach dem Militärputsch in Myanmar und der Entmachtung von Regierungschefin Aung San Suu Kyi haben die Streitkräfte die wichtigsten politischen Posten mit Mitgliedern aus den eigenen Reihen besetzt.

Das elfköpfige Kabinett besteht nur noch aus Generälen, ehemaligen hochrangigen Soldaten und Politikern einer vom Militär gestützten Partei. Einige davon waren bei der Parlamentswahl im November gescheitert, wie die Zeitung «Irrawaddy» berichtete. Die 75-jährige Suu Kyi und ihre Partei NLD hatten die Wahl klar gewonnen. Die EU drohte am Dienstag mit Sanktionen.

Suu Kyis Partei, die Nationale Liga für Demokratie, forderte die Freilassung der Friedensnobelpreisträgerin von 1991 sowie aller anderen festgesetzten Politiker. «Lasst sofort alle Festgenommenen frei», verlangte die NLD auf Facebook. Das Militär hatte sich in der Nacht zum Montag zurück an die Macht geputscht und Suu Kyi sowie andere ranghohe zivile Mitglieder der Regierung festnehmen lassen. Wo sich die Politiker aufhalten und ob sie im Gefängnis oder in Hausarrest sind, war weiter unklar.

Die Streitkräfte hatten am Montag einen einjährigen Ausnahmezustand über das südostasiatische Land mit seinen knapp 54 Millionen Einwohnern verhängt. Die Flughäfen wurden gesperrt. Berichte über Gewalt gab es bislang aber nicht. Der frühere Armeechef General Min Aung Hlaing – schon lange ein Gegenspieler Suu Kyis – hat die oberste Befehlsgewalt übernommen. Das Militär war in Myanmar (ehemals: Birma) früher schon bereits fast ein halbes Jahrhundert an der Macht.

Forderungen nach einer entschlossenen Reaktion der internationalen Gemeinschaft wurden lauter. Die 27 EU-Staaten drohten: «Die Europäische Union wird alle ihr zur Verfügung stehenden Optionen in Erwägung ziehen, um sicherzustellen, dass sich die Demokratie durchsetzt.» Der Versuch, sich gewaltsam über den Willen der Menschen in Myanmar hinwegzusetzen, werde nicht hingenommen. Der UN-Sonderberichterstatter für Myanmar, Tom Andrews, sagte der Deutschen Welle: «Wir wissen aus Erfahrung, dass die Junta in Myanmar die Sprache der Wirtschaftssanktionen versteht.»

Noch am Dienstag (16.00 Uhr MEZ) wollte der UN-Sicherheitsrat in New York über Konsequenzen beraten. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) betonte, Myanmars Armee habe in mehr als 50 Jahren ein Wirtschaftsimperium geschaffen, samt Brauereien, Banken, Häfen, Immobilienagenturen sowie Unternehmen zur Förderung von Jade, Rubinen, Saphiren und Kupfer. Diese böten genügend Möglichkeiten für Sanktionen.

Offiziell gelten Vorwürfe des Wahlbetrugs als Hintergrund des Putsches. Jedoch wurde über andere Hintergründe spekuliert. UN-Sonderberichterstatter Andrews verwies darauf, dass das Militär das Wahlergebnis auch über «legale Kanäle» hätte anfechten können. Der Verfassung zufolge fallen in Myanmar 25 Prozent der Sitze im Parlament automatisch der Armee zu. Zudem besetzte sie schon vor dem Putsch wichtige Ministerposten wie Inneres, Verteidigung und Grenzangelegenheiten. Darauf hatte die Armee beim Übergang zu demokratischen Reformen vor zehn Jahren gepocht.

Beobachter glauben, dass die Militärs vor allem Suu Kyis Beliebtheit im Land entgegensteuern wollten. Ihr Sieg bei der Wahl war geradezu erdrutschartig. Auch habe die 75-Jährige, die seit 2015 faktische Regierungschefin war, immer wieder gefordert, die Quote für Verfassungsänderungen zu ändern. «Das hat den Verdacht des Militärs vertieft, dass Suu Kyi das zivil-militärische Kräfteverhältnis verändern wollte», schrieb die indische Zeitung «Hindustan Times». International stand die Politikerin wegen der gewaltsamen Vertreibung von Muslimen aus dem mehrheitlich buddhistischen Land in der Kritik.

Dass das Militär gerade jetzt geputscht hat, hängt Kommentatoren zufolge mit General Min Aung Hlaing zusammen. Der 64-Jährige hätte im Juli aus Altersgründen sein Amt als Armeechef abgeben müssen. Offensichtlich will er aber an der Macht festhalten – einer Verlängerung der Amtszeit hätte jedoch Suu Kyi zustimmen müssen. «Einige haben spekuliert, dass der Putsch von General Min Aung Hlaing als Mittel zum Schutz seiner persönlichen Macht und Position initiiert wurde», schrieb die britische Zeitung «Guardian».

© dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten.