Die 26 Ärzte und Pfleger der Bundeswehr, die ab heute das strauchelnde Hochrisikoland Portugal im Kampf gegen die Corona-Pandemie unterstützen, bekommen einen warmen Empfang.
Der Europaabgeordnete Paulo Rangel sprach von einem «Beispiel europäischer Solidarität». Auch Österreich und Spanien wollen helfen, aber «Die Deutschen sind die ersten», titelte das Renommierblatt «Público» anerkennend. Leser der Zeitung schrieben, sie seien bewegt und dankbar ob der Hilfe aus Berlin. «In schwierigen Stunden erkennt man die echten Freunde», lautete ein Eintrag in der Kommentarspalte.
Verwunderlich sind die vorwiegend positiven Reaktionen nicht. Die Nothilfe aus Deutschland wurde dringend erwartet und kommt vermutlich gerade noch rechtzeitig. Kaum irgendwo auf der Welt richtet das Coronavirus derzeit größeren Schaden an. Nirgendwo wurden zuletzt im Verhältnis zur Bevölkerungszahl mehr Neuinfektionen und mehr Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 gemeldet, wie das von der Oxford University unterstützte Portal «Our World in Data» zeigt.
Die Lage in den Krankenhäusern sei «absolut dramatisch», betont der Präsident des portugiesischen Ärzteverbandes ANMSP, Ricaro Mexia. In der Tat: Vor Krankenhäusern bildeten sich an den vergangenen Tagen teilweise lange Schlangen von bis zu 30 Krankenwagen, weil das Personal alle Hände voll zu tun hatte und die Kranken nicht so schnell aufgenommen werden konnten. Medien berichteten von Patienten, die eine ganze Nacht im Krankenwagen verbringen mussten.
Noch schlimmer erging es einer 46-Jährigen, die an Covid erkrankt war und nach einem Bericht des Nachrichtensenders TVI24 vier Tage lang auf einem Sessel behandelt wurde, weil im Hospital von Vila Franca de Xira bei Lissabon kein Bett frei war. «Ich kann vor lauter Wut nur noch heulen», sagte ihr Ehemann im Fernsehen.
Das Virus bereitet zwar weltweit große Probleme – in Portugal deckt es aber auch grundlegende Defizite des kleinen Landes schonungslos auf. Der Präsident der Gesellschaft für Innere Medizin (SPMI), João Araújo Correia, nennt Beispiele dafür: In den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der Krankenhausbetten «konstant reduziert» worden. «Wir haben pro 100.000 Einwohner die Hälfte der Betten, die Deutschland hat», klagt er. «Schon in einem normalen Winter müssen Grippekranke in den Notaufnahmen oft tagelang auf ein Bett warten.»
Als der Staatshaushalt für 2021 verabschiedet wurde, klagte Diana Póvoas von der Ärztegewerkschaft SMZS, das für das Gesundheitswesen vorgesehene Geld reiche hinten und vorne nicht. Wenn die Probleme des Gesundheitsdienstes SNS nicht bald angegangen würden, werde das Land keine geeignete Antwort auf die Pandemie finden können, warnte sie – und zwar schon im Herbst, als die Corona-Lage noch deutlich besser war.
Es mangelt aber längst nicht nur an Betten. Wegen der schlechten Bezahlung im öffentlichen Dienst wechseln viele Ärzte und Pfleger in die Privatwirtschaft oder gehen gleich ins Ausland. Schon kurz hinter der Grenze, in der spanischen Region Galicien zum Beispiel, sind die Gehälter doppelt so hoch. Die Gewerkschafterin Póvoas klagte, die Zahl der im SNS tätigen Ärzte sei allein zwischen Januar und Oktober vergangenen Jahres um «fast tausend» zurückgegangen.
Die 2012 nach England ausgewanderte Pflegerin Catia Woolf erzählte nun im portugiesischen Fernsehen, sie sei nicht nur dem Hungerlohn von 700 Euro im Monat entkommen. «Hier sind die Arbeits- und Vertragsbedingungen sowie auch die Aufstiegschancen viel größer.» In den portugiesischen Krankenhäusern fehlten zum Teil auch Telefon-Apparate und -Leitungen sowie Computer, sagte Mexia.
Nach Zahlen der EU-Agentur ECDC steckten sich in Portugal zuletzt binnen 14 Tagen 1429 Menschen je 100.000 Einwohner mit dem Virus an. Damit liegt Portugal vor Spanien (1026) an der Spitze der 30 erfassten Länder. Für Deutschland betrug dieser Wert gut 265. Ende Oktober waren es in Portugal noch knapp 350 gewesen. Für den starken Anstieg werden unter anderem die Lockerungen der Einschränkungen zu Weihnachten sowie die von Großbritannien ausgehende, besonders ansteckende Virusvariante verantwortlich gemacht.
Inmitten der Malaise und im Zuge des seit dem 15. Januar herrschenden strengen Lockdowns keimt aber etwas Hoffnung. Die Zahlen werden seit einigen Tagen besser. Besonders wichtig: Am Dienstag ging die Zahl der auf Intensivbetten liegenden Covid-Patienten erstmals nach langer Zeit wieder zurück: von 865 auf 852.
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