Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder beraten heute über das weitere Vorgehen im Kampf gegen die Corona-Pandemie.
Die bisherigen Regeln laufen am 14. Februar aus. Wahrscheinlich ist eine weitere Verlängerung des Lockdowns. Manches von dem, was beschlossen werden soll, ist absehbar, vieles ist aber noch völlig offen. Vor dem Treffen hatten sich neben der Bundeskanzlerin auch viele Länderchefs geäußert, zudem sind Inhalte eines Arbeitspapiers bekannt.
Die Lockdown-Verlängerung
Eine grundsätzliche Verlängerung des Lockdowns ist wahrscheinlich. «Ich denke, was realistisch ist, dass wir miteinander sagen, dass der Lockdown bis zum 1. März fortgesetzt werden soll», sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), in den ARD-«Tagesthemen». Auch Merkel hatte sich gegen Lockerungen vor dem 1. März ausgesprochen. Die Zeit, in der die britische Virus-Variante noch nicht die Oberhand gewonnen habe, sei entscheidend, um mit aller Kraft die Infektionszahlen herunter zu bekommen, sagte sie nach Informationen der dpa in einer Online-Sitzung der Unionsfraktion.
Neben vielen weiteren Ministerpräsidenten wird diese Position auch von mehreren Interessensgruppen vertreten. «Wir dürfen keinen erneuten Lockdown riskieren, nur weil wir uns nach Normalität sehnen und jetzt zu schnell die Maßnahmen lockern. Es führt wohl kein Weg daran vorbei, die Beschränkungen zu verlängern», sagte Städtetagspräsident Burkhard Jung der «Rheinischen Post». Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Gernot Marx, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): «Wir müssen den Lockdown in dem jetzt bestehenden Umfang mindestens bis Anfang März fortführen.
Der Stufenplan
Wirtschaftsverbände, die FDP und auch mehrere Bundesländer wollen mit Stufenplänen den Weg aus dem Lockdown koordinieren. Eine bundesweite Variante eines solchen Ausstiegsszenarios, das zum Beispiel für eine bestimmte Inzidenz einen bestimmten Öffnungsschritt vorschreiben könnte, sah Ministerpräsident Weil aber nicht. Auf eine entsprechende Frage im ARD-Interview, ob mit einem bundesweiten Plan zu rechnen wäre, sagte er: «Nein, noch nicht morgen, aber wir müssen unbedingt diese Diskussion miteinander führen.» Viele Bürgerinnen und Bürger würden mit Recht fragen, wie es denn jetzt eigentlich weitergehen solle. «Die Antwort wird morgen noch nicht erfolgen können, das ist jedenfalls mein Eindruck, aber sie muss dann beim nächsten Mal stattfinden.»
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte dem RND: «Es macht keinen Sinn, wenn wir jedes Mal eine Ministerpräsidentenkonferenz einberufen, Akteure vorher anfangen, über einzelne Teile laut zu debattieren – und man am Ende als Ministerpräsident gar nicht mehr weiß: Mach ich jetzt ‘ne halbe Schule mit einem Viertel Kindergarten, und kann ich das noch kombinieren mit ein bisschen Blumen- oder Baumarkt.» Nötig sei stattdessen «ein Regelwerk, das für alle Bürger und für alle Wissenschaftler nachvollziehbar ist – und uns als Handelnden einen Rahmen gibt, dass wir nicht jedes Mal neu verhandeln müssen.»
Langfristige Planungen gelten aber in der dynamischen Corona-Lage als schwer umsetzbar. Gesundheitsminister Jens Spahn hatte kürzlich in der ARD gesagt: «Ich weiß, alle haben eine Sehnsucht nach irgendetwas, das dann hält für sechs oder zwölf Monate. Aber das geht nicht. Das Virus ist zu dynamisch. Die Lage verändert sich zu sehr.»
Die Schulen
Ständig wird betont: Schulen haben oberste Priorität bei den Öffnungen. Ob es jetzt schon Zeit ist – darüber herrscht noch keine Einigkeit. Merkel sei der Auffassung, mit jeglichem Öffnungsschritt bis 1. März zu warten, hieß es nach dpa-Informationen in der Online-Sitzung. Auch die Intensivmediziner von DIVI sprachen sich dafür aus, noch bis Anfang März zu warten. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: «Gerade angesichts der schwer kalkulierbaren Gefahren durch die Virusmutation müssen wir bei der Öffnung der Schulen vorsichtig vorgehen.» Er empfehle, lieber noch ein, zwei Wochen zu warten als zu früh zu viel zu riskieren.
Andererseits haben bereits mehrere Länder konkrete Pläne, Kitas und Schulen ab kommender Woche schrittweise wieder zu öffnen. So kündigte Sachsen, das im Dezember als erstes Land flächendeckende Schul- und Kitaschließungen angeordnet hatte, als erstes Land an, Grundschulen und Kitas ab kommenden Montag in eingeschränktem Betrieb zu öffnen. Die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) beschloss einstimmig, dass ab 15. Februar nach den Abschlussklassen auch untere Jahrgänge wieder zur Schule gehen sollen – «wenn die gute Entwicklung der Inzidenzwerte anhält», wie die KMK-Vorsitzende Britta Ernst (SPD) aus Brandenburg sagte.
Immer wieder betonen Wissenschaftler die dramatischen Folgen geschlossener Schulen vor allem für jüngere Schüler. Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, sagte der «Passauer Neuen Presse»: «Kinder brauchen andere Kinder zum Aufwachsen und für eine gesunde und gute Entwicklung – unbedingt.»
Die Infektionszahlen und Mutationen
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Mittwochmorgen bei 68. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die meisten Bundesländer verzeichnen laut RKI weiterhin sinkende Sieben-Tages-Inzidenzen.
Erklärtes Ziel ist ein Niveau von bundesweit weniger als 50, damit Gesundheitsämter vor Ort Infektionsketten wieder verfolgen können. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte kürzlich daran erinnert, dass die 50-er Schwelle eigentlich eine «kritische Marke» für nötige schärfere Gegenmaßnahmen sei – ein Niveau von 49,8 sei nicht unproblematisch.
Auch in Deutschland breiten sich mutierte Varianten des Virus aus, die als viel ansteckender gelten. Eine Verlängerung des Lockdowns wird oft mit der Gefährlichkeit der Mutationen begründet. Städtetagspräsident Burkhard Jung sagte in der «Rheinischen Post» zu seiner Forderung nach einer Verlängerung: «Zu ungewiss ist noch, wie sich die Mutationen des Coronavirus ausbreiten und was sie aufhalten kann». Die Sorge in Deutschland gilt derzeit insbesondere der Variante B.1.1.7, die zuerst in Großbritannien entdeckt worden war.
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