Im US-Senat zeichnet sich nach einem heftigen Schlagabtausch von Verteidigung und Anklage ein baldiger Abschluss des Amtsenthebungsverfahrens gegen Ex-Präsident Donald Trump ab. Die Ankläger forderten wegen der Erstürmung des Kapitols erneut die Verurteilung des Republikaners.
«Es geht darum, unsere Republik zu beschützen und darum, die Standards für das Verhalten von Präsidenten zu definieren», mahnte der Chefankläger des Repräsentantenhauses, Jamie Raskin am Freitag (Ortszeit). Trumps Verteidiger wiederum wiesen die Vorwürfe zurück und sprachen von «monströsen Lügen».
Die Beratungen im Senat sollen am Samstagvormittag (Ortszeit; 16.00 Uhr MEZ) weitergehen. Sollten sich die Senatoren dabei wie erwartet gegen die Anhörung von Zeugen entscheiden, blieben Verteidigung und Anklage noch jeweils zwei Stunden für Schlussplädoyers. Im Anschluss könnte der Senat bereits über Trumps Amtsenthebung abstimmen. Ein Ende des Verfahrens am Samstag – nach nur fünf Tagen – ist aber nicht in Stein gemeißelt; ein Wunsch der Mehrheit nach einer Anhörung von Zeugen etwa oder andere Verfahrensfragen könnten das noch verhindern.
Am 6. Januar hatten Anhänger des abgewählten Präsidenten gewaltsam das Kapitol gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Wahlsieg von Trumps Nachfolger Joe Biden offiziell zu bestätigen. Bei den Krawallen kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist. Trump hatte seine Anhänger unmittelbar zuvor damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei. Er sagte unter anderem: «Wenn Ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet Ihr kein Land mehr haben.»
Die Demokraten werfen ihm daher «Anstiftung zum Aufruhr» vor und haben im Repräsentantenhaus ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. Sie wollen damit auch erreichen, dass der Ex-Präsident für künftige politische Ämter auf Bundesebene gesperrt wird. Geführt und entschieden wird das Impeachment-Verfahren im Senat. Die Kongresskammer nimmt dabei die Rolle eines Gerichts ein. Bisher sieht es aber nach einem Freispruch für den Republikaner Trump aus: Für eine Verurteilung müssten sich den 50 Demokraten im Senat 17 Republikaner anschließen, was derzeit nicht absehbar ist.
Die Demokraten forderten mit Nachdruck, dass Trump, der keine Reue gezeigt habe, zur Rechenschaft gezogen werden müsse. «Donald Trump hat den Mob herbeigerufen, er hat den Mob versammelt und er hat das Feuer entfacht. Alles, was darauf folgte, war wegen seines Handelns», sagte einer der Ankläger, der Abgeordnete Joaquin Castro. Als das Kapitol erstürmt wurde und selbst Vizepräsident Mike Pence in Gefahr war, tat Trump nichts, wie Castro sagte. Anstatt den Angriff zu verurteilen, habe Trump Verständnis für den Mob gezeigt, so Castro.
Trumps Anwalt Michael van der Veen wies die Vorwürfe zurück. Es handle sich um ein ungerechtes, verfassungswidriges und politisch motiviertes Verfahren, sagte er. Die Behauptungen, dass Trump die Demonstranten angestachelt habe, seien «absurde und monströse Lügen», sagte der Anwalt. Trump habe sich als Präsident stets für «Recht und Ordnung» eingesetzt. Die kritisierten Äußerungen in seiner Rede seien «gewöhnliche politische Aussagen» gewesen, die vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt seien, sagte van der Veen. Es sei «klar», dass die Demokraten Trump «hassen», argumentierte er.
Trumps Anwälte argumentierten zudem, dass auch Demokraten häufig zum «Kampf» gegen Trump aufgerufen hätten, was stets vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt gewesen sei. Die Verteidiger hätten zwei Tage Zeit gehabt, auf die Argumente der Ankläger zu antworten, schlossen am Freitag aber schon nach rund drei Stunden ab.
Die Ankläger hatten ihre Vorwürfe gegen Trump am Mittwoch und Donnerstag dargelegt und dazu auch dramatische Videoaufnahmen und eine minuziöse Nacherzählung des Angriffs auf das Kapitol genutzt. Sie beschuldigen Trump, mit seinen Wahlbetrugsbehauptungen über Monate hinweg den Boden für den Angriff bereitet und den Gewaltausbruch schließlich gezielt angezettelt zu haben.
Es ist bereits das zweite Amtsenthebungsverfahren, dem sich Trump stellen muss. Im ersten musste er sich in der sogenannten Ukraine-Affäre wegen Machtmissbrauchs und der Behinderung von Kongressermittlungen verantworten. Im Februar 2020 wurde er am Ende jedoch vom Senat von allen Vorwürfen freigesprochen.
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