Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, hat den 15. und letzten Bericht zur Arbeit der Bundesbehörde vorgestellt.
Der frühere DDR-Oppositionelle betonte am Freitag in Berlin, auch nach der Überführung von Millionen Dokumenten der DDR-Staatssicherheit in das Bundesarchiv blieben die Akten offen. Dpa fasst Fragen, Ansichten und ausgewählte Punkte zur künftigen Arbeit mit der Hinterlassenschaft der Stasi zusammen.
WAS WIRD AUS DER STASI-UNTERLAGEN-BEHÖRDE?
Die Sonderbehörde wird bis zum Sommer aufgelöst, das Archiv mit den Akten der DDR-Staatssicherheit Teil des Bundesarchivs. Rund 1300 Mitarbeiter werden übernommen. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz gilt weiter. Nach dem Mauerfall hatten mutige Bürgerrechtler einen großen Teil der Stasi-Unterlagen vor der Vernichtung gerettet. Die Einrichtung der Behörde und das Archiv gelten als Errungenschaft der Friedlichen Revolution.
WER KÜMMERT SICH KÜNFTIG UM DIE BELANGE VON OPFERN?
Direkt beim Bundestag soll die Stelle eines Opferbeauftragten angesiedelt werden. Ihre Besetzung steht noch nicht fest. Jahns Amtszeit endet im Juni. Er selbst will die neue Stelle nach eigenen Worten nicht. Jetzt müssten Jüngere in die Verantwortung gehen, sagte der 67-Jährige. Den Opfern der SED-Diktatur gerecht zu werden und zugleich eine Brücke zu den nächsten Generationen zu schlagen, sei für die Zukunft festgeschrieben.
WARUM KOMMT DAS ARCHIV DER STASI-DOKUMENTE INS BUNDESARCHIV?
Mit der Reform sollen laut Bericht Kompetenzen, Technik und Ressourcen gebündelt werden. Dazu kommt die Digitalisierung – viele Papiere sind in einem schlechten Zustand. Die Arbeit mit den Stasi-Akten solle zukunftsfest gemacht werden, hieß es.
WERDEN DIE STASI-DOKUMENTE UMGELAGERT?
Nein. Der Bundestag hat gesetzlich verankert, dass das Archiv am historischen Ort der einstigen Stasi-Zentrale in Berlin sowie an 13 ostdeutschen Standorten in seiner Gesamtheit Teil des nationalen Gedächtnisses im Bundesarchiv wird, wie Jahn erläuterte. Die Anträge auf Akten-Einsicht könnten wie bisher gestellt werden.
INTERESSIEREN SICH MENSCHEN NOCH FÜR EINEN BLICK IN DIE STASI-AKTEN?
2019 und 2020 stellten monatlich noch bis zu 4500 Menschen einen Antrag auf Einsicht in Akten, die die Staatssicherheit rechtswidrig über sie anlegte. Vom Jahresbeginn 1992 bis Ende 2020 wurde laut Unterlagen-Behörde mehr als 3,3 Millionen Mal ein Blick in die Stasi-Unterlagen beantragt. Im 30. Jahr der Deutschen Einheit beantragten dies 2020 noch rund 37.400 Menschen. Zudem gab es im Vorjahr rund 4500 Ersuchen zu Rehabilitierungsanträgen. Bei der Sonderbehörde wurden seit ihrem Bestehen insgesamt 7,3 Millionen Ersuchen und Anträge gestellt, auch von Behörden und Wissenschaftlern.
WELCHER BESTAND KOMMT UNTER DAS DACH DES BUNDESARCHIVS?
Zur Stasi-Hinterlassenschaft gehören allein mehr als 111 Kilometer Schriftgut. Hinzu kommen Hunderttausende Fotos sowie Tondokumente. Zudem lagern in mehr als 15.000 Säcken zerrissene und noch nicht erschlossene Papiere. Die in großem Stil geplante, virtuelle Rekonstruktion kam bislang nicht zustande. Dies bleibt laut Jahn aber eine Aufgabe.
WIRD DIE AUSEINANDERSETZUNG MIT DER DDR-VERGANGENHEIT NOCH GEBRAUCHT?
Aus Sicht von Jahn könnten die Stasi-Akten bei einem Dialog der Generationen helfen. Mit ihnen könne für Demokratie und Menschenrechte sensibilisiert werden. Bewahrt würden Dokumente begangenen Unrechts, aber auch Zeugnisse des Freiheitswillens. Die Möglichkeit, sich mit einem Stück deutscher Geschichte auseinanderzusetzen, habe kein Enddatum.
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