Alles ist Spiel(Theorie)

Volker Bieta, Technische Universität Dresden

In vernetzten Märkten mit scheinbar ungebremster Veränderungsdynamik muss der Mensch schnell entscheiden und handeln. Hier kommt die Spieltheorie ins Spiel. Sie ist die Mathematik der Interaktion. Im Juli 2020 fand in Budapest der sechste Weltkongress der Game Theory Society (GTS) statt.

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Die Theorie wie man spielt

Beim Schachspiel faszinieren die Unvorhersagbarkeit der Spielzüge und deren Folgen. Sind bei Mehr-Personen-Entscheidungen Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, liegt die Analogie zum ältesten Strategiespiel der Welt im Momentum, dass auf allen Spielfeldern der Welt ein kluger Entscheider wie ein guter Schachspieler eine schwierige Situation dadurch meistert, dass er im Voraus bedenkt, was sein Gegner als nächstes tun könnte – wohl wissend, dass dieser dasselbe tut.

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Strategische Spiele sind das Grundmodell der Spieltheorie. Sie beschreiben den Kern einer Entscheidungssituation durch Regeln und Bausteine. Dies verkürzt ein Geschehen auf seine als wesentlich erachteten strategisch relevanten Merkmale. Zu klären ist, welche Spieler es gibt, welche Handlungsmöglichkeiten jeder Spieler hat, welche Auszahlungen es je nach dem Spielverlauf gibt etc. Die Spieler, die als rationale Egoisten gelten, die nur ihren Vorteil suchen, müssen sich an die Spielregeln halten. Zum Finden bester Strategien, werden sie Alternativen, Entscheidungen, Rückkoppelungen und Ziele abwägen. Mit der Definition von Strategie als Plan, der bestimmt, wie ein Spieler auf jede im Spiel mögliche Situation zu reagieren hat, liefert die Spieltheorie dafür einen zwar schlichten aber umfassenden Strategiebegriff. Die Übertragung des Begriffs der Strategie auf durch Regeln und Bausteine mathematisierte Spiele war durchschlagend.

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Die Spieltheorie macht das Verhalten der Spieler berechenbar, indem sie vorhersagt, welchen Strategien die Spieler in einem Spiel folgen werden. Die Vorhersage ist das Lösen des Spiels. Spiellösungen (beste Strategien) sind Anweisungen wie das Spiel zu spielen ist. Da Entscheider durch Spiele versuchen, in die Zukunft zu blicken, statt im zeitlichen Nachgang die Vergangenheit nur statistisch auszuwerten, ist es nach den Worten von Max Planck „Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“ die vielleicht wahre Kunst der Spieltheorie, Szenarien durch das Erkennen der wahren Wirkungszusammenhänge näherungsweise richtig zu beschreiben. Dies ist keine Trivialität, da es nicht das eine universelle Spielmodell gibt, obwohl es nur wenige grundlegende Verhaltensmuster gibt, die man beobachten kann.

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Wie entscheiden Spieler?

Die Frage bringt den Mathematiker John Nash ins Spiel. Er ist neben dem ungarisch-amerikanischen Mathematiker John von Neumann nicht nur einer der Begründer der Spieltheorie, sondern auch der Held des mit vier Oscars prämierten Films „A Beautiful Mind“. Im Film sitzt Nash mit Freunden in einer Bar, als Studentinnen eintreten. Jeder will sein Glück bei der attraktiven Blondine versuchen. Da nur einer zum Zuge kommen kann, könnten bei einem Streit alle verlieren. Nash sieht im Wettbewerb um die Blondine ein mathematisches Problem. Er erkennt, dass die Strategie „Jeder bemüht sich um die Blondine“ nicht zum bestmöglichen Ergebnis führen wird, da nur einer gewinnen kann. Seine Lösung liefert das bestmögliche Resultat für alle. Er schlägt vor, die Blondine aus dem Spiel zu lassen und sich nur um deren weniger attraktive Freundinnen zu kümmern. Bei ihnen käme jeder zum Zug. Die sichere Wahl „nicht blond“ durch jeden der Freunde beruhigt die Lage. Es gibt ein Gleichgewicht. Alle gewinnen – wenn auch nicht die Schönste.

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Die Bar-Szene ist eine Erfindung Hollywoods. Nashs Idee aber, dass sich eine Situation nicht mehr verändert, wenn keiner mehr einen Anreiz hat, etwas zu verändern ist eine der zentralen Ideen des 20. Jahrhunderts. Im Nash Gleichgewicht denkt jeder Spieler, dass er das Beste getan hat, was er tun konnte und erkennt, dass jeder andere Zug ein für ihn schlechteres Ergebnis liefern würde. Keiner bereut seine Wahl; würde wieder so handeln. Die Erwartungen der Spieler sind miteinander vereinbar auch wenn die Interessen unvereinbar sein können. Dies nimmt der prinzipiellen Unvorhersagbarkeit der Züge der Spieler und deren Folgen die Spitze.

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Durch Nashs Stabilitätsidee wurde die Spieltheorie zu einer zentralen Methodik – anwendbar für jedwede Art von Interaktion. Aus prinzipiellen Gründen kann es nichts Besseres geben. Zudem sind Nash Gleichgewichte in Situationen, in denen die Spieler nach Stabilität streben auch natürliche Lösungen. Zum einen profitieren alle Spieler durch die Wahl bestmöglicher Strategien, ohne kooperieren zu müssen. Zum anderen sind Aussagen möglich, unter welchen Bedingungen Veränderungen zur Ruhe kommen oder wie die Ruhe gestört werden kann. Ein Nachteil ist allerdings, das Nash Gleichgewichte nur für das gegebene Spiel das bestmögliche und nicht notwendigerweise das optimale und auch das nicht immer eindeutige Ergebnis sind. Angemerkt sei, dass die Bar-Szene, anders als der Film es suggeriert, kein Nash Gleichgewicht ist. Denn spricht jeder der Freunde jeweils eine der Freundinnen an, könnte einer der Freunde sich doch um die Blondine bemühen und würde sich so verbessern. Übrig bleibt also eine der Freundinnen und nicht die Blondine – ne umquam desperaveris!

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Wozu Spieltheorie?

Nashs Welt ist voraussetzungsreich. Es geht um Rationalität, Strategie und Gleichgewicht. Dies sind mathematische Objekte – nicht das Wirkliche. Dies führte zu Erweiterungen durch eine empirisch angebundene Hypothesenbildung. In Verhaltensökonomie müssen Entscheidungen nicht mehr rein faktenbasiert, rational und weitsichtig sein. Es kann fair, kooperativ oder unvernünftig gehandelt werden. Auch wenn Nashs Welt diese verhaltenstheoretische Perspektive fehlt: Randständig ist die traditionelle Spieltheorie mit dem streng mathematisch gesetzten Segel deshalb nicht. Die Spieltheorie ist auch gerade deshalb so stark, weil sie für jede Situation Hinweise gibt, wie sich Entscheider rational verhalten sollen – dies beweist das Potenzial. Kritiker übersehen nämlich zu oft, dass Erfolg auch darin bestehen kann, dass Situationen methodisch strukturiert werden und das Verhalten formal überdacht werden kann. In unruhigen Zeiten ist ein Werkzeug, das Phänomene präzisiert, die sonst nur qualitativ und umgangssprachlich formuliert werden können, auch von hoher praktischer Relevanz. Oft sind schon einfache Spiele wie das bekannte Gefangenendilemma hilfreich, um strategische Situationen präzise zu beschreiben und damit unterscheiden zu können.

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Spiele verstehen, voraussehen, gewinnen

Die Spieltheorie greift auf viele Bereiche mit Erfolg zu, da sich in der Realität und auf der Ebene des Schachspiels identische Verhaltensmuster finden lassen, die ähnliche Lösungen für schwierige Probleme liefern. Ist spieltheoretische Expertise im Spiel, kann z.B. in der Politik besser entschieden werden, ob ein Spiel nur besser zu spielen ist oder ein anderes Spiel nach neuen, womöglich eigenen Regeln gespielt werden soll. In der Pandemie entscheidet das Verhalten der Bevölkerung, ob eine epidemische Welle in einem noch kontrollierbaren Umfang gehalten werden kann. Auch auf diesem Spielfeld beobachtet man das Phänomen der Trittbrettfahrer, d.h. Akteure, die davon profitieren, dass Andere etwas tun (sich impfen lassen) ohne selbst etwas zu tun. Für Spieltheoretiker folgt das egoistische Verhalten aus Fehlanreizen, die in die Anti-Corona-Regeln eingebaut sind. Wie sind die Bedingungen zu setzen, damit die Akteure so spielen, dass ein gewünschtes Ziel erreicht wird? Hier heißt ein Hebel der Spieltheorie „Mechanismusdesign“. Darunter ist das Setzen der Regeln der Interaktion zu verstehen. Fazit: Wer wissen will, ob und wie er seine Chancen erhöhen kann, in vielen Situationen zu den Gewinnern zu zählen, muss mit der Spieltheorie analysieren.

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