Budapest – Etwa 60 Prozent der kinderreichen Familien in Ungarn leben nach Aussage der Soziologin Zsuzsa Ferge unter dem Existenzminimum. Die Regierungen hätten sich in der Vergangenheit nicht darum bemüht, für die Ärmsten der Gesellschaft einen Schutz aufzubauen, sagte Ferge, die an der Entwicklung eines Programms gegen die Kinderarmut mitwirkt, dem ungarischen Rundfunk.
Statistische Erhebungen zeigen nach den Worten der Soziologin ein trauriges Bild. In Ungarn seien von 2,2 Millionen Kindern 750 000 von irgend einer Form der Armut betroffen. 430 000 seien als sehr arm zu betrachten. 28 bis 30 Prozent der Bevölkerung Ungarns lebe unter dem zuletzt vom Statistischen Amt berechneten Existenzminimum. Betroffen seien 40 Prozent der Familien mit Kindern und 60 Prozent der kinderreichen Familien.
Hauptrisiko für Armut ist nach Erkenntnis Ferges der geringe Anteil an Verdienern: In einem Drittel der Familien mit Kindern gebe es keine Erwerbsperson. Mehr als ein Drittel der Kinder sieht, während es aufwächst, um sich herum keinen Menschen, der früh aufsteht, um arbeiten zu gehen, und dessen Leben die Arbeit mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausfüllen würde. Von den Roma seien 80 Prozent arm, doch unter den Armen bildeten sie dennoch nicht die überwiegende Mehrheit.
In ihrer Analyse der Gründe verweist die Soziologin darauf, dass die ungarischen Regierungen seit 1988 der Entwicklung der Marktwirtschaft freien Lauf ließen und sich nicht darum bemühten, für die Ärmsten einen Schutz aufzubauen. Das Kinderprogramm hat nach Aussage Ferges das Ziel, den Kreis der Armut zu verringern, die Vererbung der Armut zu verhindern und auch die tiefe Armut abzubauen.