Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Orban und Gyurcsany erwartet
Bei der Parlamentswahl im April gilt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem sozialistischen Ministerpräsidenten Ferend Gyurcsany und dem Vorsitzenden der rechtskonservativen FIDESZ (Junge Demokraten) Viktor Orban als wahrscheinlich. In den bisher veröffentlichten Umfragen lagen die Spitzenkandidaten der beiden größten Parteien Ungarns nur um wenige Prozentpunkte auseinander, so dass zuverlässige Prognosen unmöglich wirkten. Zuletzt lagen die Sozialisten (MSZP) leicht vorne. Als fraglich galt, ob die bisher mit den Sozialisten regierenden Liberalen (SZDSZ) sowie die Mitte-Rechts-Partei MDF (Ungarisches Demokratisches Forum) die Fünf-Prozent-Hürde ins Parlament überwinden würden.
Orban, der erstmals von 1998 bis 2002 regiert hat, müsste diesmal mit seiner FIDESZ die absolute Mehrheit bekommen, um regieren zu können. Denn in der ungarischen Parteienlandschaft ist kein Koalitionspartner für ihn in Sicht. Ein Bündnis mit den Liberalen wirkt angesichts der seit Jahren herrschenden Haß-Beziehungen unmöglich. Auch MDF macht stark Front gegen Orban und sucht sich seit jeher mit einem gemäßigten christdemokratischen Kurs gegen die von Ultra-Nationalismus und zunehmend auch Linkspopulismus gekennzeichnete FIDESZ zu behaupten. MDF-Chefin Ibolya David erklärte jüngst, sie sei nur dann zu einer Koalition mit jedwelcher Partei bereit, wenn man ihr den Posten einer Ministerpräsidentin überlassen würde. Weil niemand glaubt, dass eine der Großparteien der kleinen, anämischen MDF den Spitzenposten überlassen würde, selbst David nicht, ist es klar, dass die MDF-Chefin hiermit ihre Partei auf jeden Fall auf der Oppositionsbank sieht, sollte sie überhaupt den Einzug ins Parlament schaffen. Zunehmend verwirrend wirkte die ideologische Positionierung der Großparteien. Gyurcsany vertritt einen kapitalismusfreundlichen Sozialismus nach dem Modell des briten Tony Blair, während Orban mit linkspopulistischen Sprüchen Stimmen der verarmten, arbeitslosen Unterschicht sammeln will. Weil Orbans FIDESZ immer noch mit dem Ruf einer Partei zu kämpfen hat, die sich von den Rechtsextremen nicht klar genug distanziert, versuchte sie jetzt den Spieß umzudrehen, und den Sozialisten Nazi-Nähe nachzuweisen, allerdings mit schwachem Erfolg. Der FIDESZ-Vizevorsitzende Tamas Deutsch-Für verstieg sich zur Behauptung dass, ein Slogan der Sozialisten Hitlers Spruch „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ nachempfunden sei. Der betreffende MSZP-Werbespruch hatte gelautet: „Es gibt ein Land. Es gibt einen Mann. Es gibt ein Programm“.
Den Wahlkampf hatten eine Serie von Vorkommnissen gekennzeichnet, die nichts mit Programmen zu tun hatten, sondern gelegentlich ans Kriminelle grenzten. FIDESZ und MSZP verdächtigten sich gegenseitig, aus einzelnen Büros die so genannten Klopfzettel gestohlen zu haben. „Klopfzettel“ sind Unterschirften der Unterstützer, die Kandidaten brauchen, um sich zur Wahl stellen zu können, falls sie nicht auf den Landes-Parteilisten kandidieren. Als gravierendster Fall gilt der Einbruch in den Internetserver der MSZP, den die FIDESZ eingestehen musste. FIDESZ-Aktivisten hatten unter Verwendung eines geheimen Passworts interne MSZP-Dokumenten heruntergeladen, um so die Taktik des Gegners auszuspionieren. Die Polizei hat ihre Ermittlungen hierzu einen Monat später noch nicht abgeschlossen.