Trend zum Eigenheim verstärkt sich erneut

Ein Eigenheim ist teuer und kann zum Problem werden, wenn auf einmal der Job futsch ist. Dennoch meldet die Wohnungsbaubranche in der Corona-Krise hohe Umsätze. Und die Bausparkassen können sich sogar über zweistellige Wachstumsraten im Finanzierungsgeschäft freuen.

Die Corona-Krise hat viele Menschen in Existenzsorgen gestürzt – doch der Trend zum kostspieligen Eigenheim hat sich trotzdem noch einmal verstärkt.

Die Baubranche beziffert das Plus beim Wohnungsbau dieses Jahr bundesweit auf vier Prozent, und die Bausparkassen können sich vor Anfragen nach Baufinanzierungen kaum noch retten. Gestützt von einer erneut gewachsenen Nachfrage nach Wohneigentum und niedrigen Zinsen, melden sowohl der private als auch der öffentlich-rechtliche Sektor in diesem Bereich deutliche Zuwächse, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab.

Der Chef des Verbandes der Privaten Bausparkassen, Bernd Hertweck, sagt, er erwarte bei den ausgezahlten Baugeldern zum Jahresende für die von ihm vertretenen Häuser ein Plus von 15 Prozent im Vergleich zu 2019. Damit dürfte die Marke von rund 30 Milliarden Euro geknackt werden.

Bei der Baufinanzierung repräsentieren die privaten Institute rund drei Viertel des Marktes. Den Rest teilen sich die öffentlich-rechtlichen Landesbausparkassen, die dieses Jahr in Summe ebenfalls mit einem Zuwachs von etwa 15 Prozent rechnen. 2019 hatten die Landesbausparkassen ihren Kunden insgesamt 10,8 Milliarden Euro an Baufinanzierungsgeldern ausgeschüttet.

Die neuen Zahlen untermauern eine These, die in der Pandemie eindrucksvoll bestätigt wurde: In Krisenzeiten setzen die Menschen ungeachtet aller Existenzsorgen stärker denn je auf Wohneigentum. So vermeldet die Baubranche für den Wohnungsbau – im Gegensatz zu anderen Segmenten – ein Umsatzwachstum. Während die Bereitschaft von Industriekonzernen und Dienstleistungsbetrieben zu Investitionen in Bauprojekte schwinde, sehe es beim Wohnungsbau ganz anders aus.

«Der Druck auf die Wohnungsmärkte in den Ballungsgebieten hat sich nicht abgeschwächt», betont der Präsident des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Peter Hübner. «Aufgrund des durch Corona gestärkten Trends zum Homeoffice scheint eine eigene Immobilie noch erstrebenswerter.»

In Baden-Württemberg – sozusagen dem Mutterland der Häuslebauer – wird das beispielhaft sichtbar. Zum Ende des dritten Quartals vermeldete die Südwest-Baubranche im Wohnungsbau sowohl beim Umsatz als auch bei den Neuaufträgen ein deutliches Plus im Jahresvergleich. Der Wert der Auftragseingänge legte um satte 7,6 Prozent auf 1,93 Milliarden Euro zu. Auch die Zahl der genehmigten Wohnungen und Wohnhäuser lag hier höher als 2019. «Trotz Corona-Krise, oder vielleicht gerade deshalb, investieren die Menschen verstärkt in die eigenen vier Wände. Das verspricht Sicherheit», sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Thomas Möller.

Davon profitieren auch die Bausparkassen. Bei der Nachfrage nach Wohneigentum habe sich entgegen vieler Einschätzungen von Experten zu Beginn der Pandemie keinerlei Eintrübung ergeben, sagt eine Sprecherin der öffentlich-rechtlichen Institute. «Im Gegenteil: Die Nachfrage ist gestiegen, ebenso die Preise auf dem Immobilienmarkt.» Hertweck, der auch Chef der Wüstenrot-Bausparkasse ist, urteilt, die Bundesbürger hätten sich zwar in der Corona-Pandemie in ihrem Konsum eingeschränkt und Geld zur Seite gelegt. Doch die eigenen vier Wände blieben klar im Trend. «Dafür ziehen viele immer öfter ins Umland von Großstädten und in ländlichere Gegenden.»

Ob die Rekordjagd so weitergeht? Die Branche stellt sich jedenfalls erstmal drauf ein. Die Bauindustrie rechnet für 2021 im Bereich Wohnungsbau mit einem weiteren Umsatzplus von drei Prozent auf dann 52,6 Milliarden Euro. Auch Hertwecks Chef beim Stuttgarter Finanzkonzern Wüstenrot & Württembergische, Jürgen A. Junker, ist zuversichtlich: «Das Liebste des Deutschen ist – nach der Familie – neben dem Auto auch das Haus. Da werden viele zuletzt sparen.»

Tatsächlich aber könnte die Lage auch schnell kippen – etwa, wenn die für Deutschland wichtige Autobranche stärker kriseln sollte und im Extremfall auf einmal Zehntausende bestbezahlte Industriejobs in Gefahr geraten. «Was passieren würde, wenn es zu massenhaften Insolvenzen und einer schweren Rezession käme, steht auf einem anderen Blatt. Andererseits wird politisch alles dafür getan, dass Zahlungsschwierigkeiten nicht voll durchschlagen», kommentiert die Sprecherin der Landesbausparkassen. «Und die positiven Aussichten, dass Corona mit einem Impfstoff schon Ende 2021 besiegt sein könnte, machen Hoffnung, dass das Schlimmste abgewendet werden kann.»

Dass sich die Pandemie bisher gar nicht negativ aufs Geschäft der Bausparkassen niedergeschlagen hat, kann man ohnehin nicht behaupten. Die Abschlüsse neuer Bausparverträge brachen vor allem im Frühjahrs-Lockdown deutlich ein. So melden die privaten Institute in diesem Bereich aufs Jahr gerechnet einen Rückgang um satte zehn Prozent auf eine Bausparsumme von nur noch etwa 51 Milliarden Euro. Die öffentlich-rechtlichen Bausparkassen gehen beim Bausparneugeschäft sogar von einem Minus von etwa 15 Prozent auf eine Bausparsumme von dann noch ungefähr 28 Milliarden Euro aus.

Hertweck begründet den Rückgang vor allem mit dem erschwerten Kundenkontakt in Corona-Zeiten. «Verstärkte Video- und Telefon-Beratungen sowie E-Mail-Kommunikation können persönliche Begegnungen nur zum Teil ersetzen.» Ähnlich bewerten die Landesbausparkassen die Lage: Der Neuabschluss von Sparverträgen habe unter den coronabedingten mehrwöchigen Schließungen der Geschäftsstellen im Frühjahr arg gelitten.

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